Gehirnfluesterer
Aussicht auf Belohnung und die Vermeidung von Strafe die zwei Säulen
jeder denkbaren Art von Einfluss, von der Kindererziehung über das Hundetraining bis hin zu den abseitigeren und eher machiavellistischen
Formen von Konditionierung wie bei Suchhunden oder auch Tauben. Ein Beispiel dafür ist die berühmte Skinner-Box, so benannt
nach dem amerikanischen Psychologen B. F. Skinner, in der isolierte Tiere wie Ratten oder Tauben darauf konditioniert werden, mit bestimmten Bewegungen, Picken zum
Beispiel, eine Futterspende auszulösen.
Konditionierung findet natürlich nicht immer bewusst statt. Manchmal wird unser Eigeninteresse manipuliert, ohne dass wir
es auch nur merken, und die Verknüpfung zwischen einem bestimmten Verhalten (Picken zum Beipiel) und einem bestimmten Ergebnis
(Nahrungsspende) erfolgt quasi von selbst:
KATIE: Mama, kann ich ein Eis haben?
MAMA: (Reagiert nicht und bleibt auf der Gartenliege liegen.)
KATIE: Mama, ich will ein Eis.
MAMA: Ja, gleich, Liebes.
KATIE: (Stampft mit den Füßen auf.) MAMA, ICH WILL EIN EIS!
MAMA: Jetzt ist aber gut. Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst mich nicht anschreien. Was für ein Eis willst du denn?
Die kleine Katie braucht keinen Doktor in Psychologie und vertiefte Kenntnisse darüber, wie der menschliche Geist funktioniert,
um zu wissen, dass sich Maulen, Knatschen und hartnäckiges Nervensägen oft auszahlen. Sie weiß das aus Erfahrung, denn sie
übt schon seit ihrer Geburt.
Hartnäckigkeit ist aber nicht immer nur Mittel zum Zweck. Sie kann bei Gelegenheit auch Selbstzweck sein: das Verhalten selbst
ist die Belohnung. Diese spezielle Dynamik ist die Psychologie hinter Glücksspiel und Angeln. Deshalb ist es so schwer, mit
diesem uralten Zeitvertreib aufzuhören. Roulett und Flussufer beinhalten zahlreiche, unvorhersehbare Belohnungskontingente,
die die Hoffnung nähren (man weiß ja nie, ob man nicht doch bald gewinnt bzw. etwas fängt). Und die Hoffnung stirbt zuletzt.
Eine zwingende Abmachung
Die Gallagher-Brüder sind nicht gerade für ihr diplomatisches Geschick bekannt. Aber mit dieser Ticketerstattung haben sie
sich selbst übertroffen. Die Chancen standen gut, dass diese Schecks im Lauf der Zeit zu Sammlerobjekten und dann viel wertvoller
als ihr Nennwert zum damaligen Zeitpunkt sein würden. Andererseits konnte niemand den Jungs vorwerfen, sie hätten ihr Versprechen
nicht gehalten. Schlauer Schachzug.
Bei dem, was Oasis getan hat, handelt es sich nicht um Raketentechnik, sondern um Biologie. Indem sie diese Schecks ausgaben
– das Paradebeispiel einer »limitierten Edition« –, haben sie de facto ein altes Gesetz der Beeinflussung genutzt. Es heißt Knappheit. Knappheit ist eines der sechs evolutionären
Überzeugungsprinzipien, die unser alter Bekannter Robert Cialdini ausfindig gemacht hat. Sie betrifft die Beobachtung, dass
wir etwasumso mehr haben wollen, je weniger es davon gibt. Die anderen Prinzipien, denen wir in verschiedenen Varianten schon begegnet
sind, heißen Reziprozität, Gegenseitigkeit (man fühlt sich verpflichtet, einen Gefallen zu entgelten); Verlässlichkeit und
Beständigkeit (wie die Gallaghers stehen wir zu unserem Wort); Autorität (wir fügen uns denen, die die Macht haben); Zuneigung
(wir geben denjenigen nach, die wir lieben) und soziale Kontrolle (wir schauen, was andere machen, wenn wir uns selbst nicht
sicher sind).
Wegen ihrer evolutionären Untermauerung und ihrer Rolle beim urzeitlichen Überleben wirkt jedes dieser Prinzipien direkt auf
der Ebene des Eigeninteresses. Bei einer neuen Studie von der University of Aberdeen hat sich gezeigt, dass die Attraktivität
eines Mannes, der eine Bar betritt, um fünfzehn Prozent steigt, wenn er von einer lächelnden Frau begleitet wird. (Noch besser,
wenn er sechs dabeihat.) Denselben Nachahmungseffekt gibt es auch im Tierreich. Weibliche Moorhühner und weibliche Guppys
entscheiden sich häufiger für Paarungspartner, die sie vorher mit einer anderen gesehen haben – und wenn es nur ein Dummy
war. (Würde ich allerdings bei Menschen nicht empfehlen.) Warum tun sie das? Wenn die Rahmenbedingungen unsicher sind und
die Informationen begrenzt, dann ist das Prinzip der sozialen Kontrolle eine wichtige Entscheidungshilfe. Wenn den andere
Frauen attraktiv finden, dann wird er es schon sein.
Die Überzeugungsqualitäten des Eigeninteresses sind oft schwer festzuhalten. Keiner von uns
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