Gehirnfluesterer
denkt wirklich nur egoistisch.
Es ist in unserem eigenen Interesse, das nicht zu tun. Aber lassen Sie es uns mal versuchen.
Stellen Sie sich vor, Sie nehmen zusammen mit 29 anderen Freiwilligen an einem psychologischen Experiment von mir teil, wofür
es komischerweise auch noch ein Entgelt gibt. Sobald die Teilnehmer aufkreuzen, führe ich jeden in eine separate Kabine mit
einem Klingelknopf, der zentral platziert ist. Bevor Sie die Kabine betreten, teile ich mit, jeder müsse zehn Minuten darin
bleiben. Danach könne man jederzeit den Knopf drücken. Sobald irgendjemand den Knopf gedrückt hat, ist das Experimentbeendet. Ja, und noch etwas. Sie können nicht mit den anderen kommunizieren.
Auch das ist noch nicht alles. Wenn sich nach Ablauf der zehn Minuten herausstellt, dass niemand den Klingelknopf gedrückt
hat, dann bekommen alle dreißig Teilnehmer, Sie und Ihre Genossen, einen 2 1-tägigen Urlaub bezahlt, wo auch immer Sie wollen. Wenn aber irgendjemand den Klingelknopf drückt, bevor die zehn Minuten abgelaufen
sind, dann erhält derjenige einen Sechs-Tage-Urlaub bezahlt und alle anderen bekommen gar nichts.
Die Uhr läuft.
Was tun Sie?
Wenn sie zum ersten Mal mit Wolfs Dilemma, so ausgedacht von dem amerikanischen Spieltheoretiker Douglas R. Hofstadter, konfrontiert werden, ist es für die meisten Leute sonnenklar, was zu tun ist. Man wartet die vollen zehn Minuten.
Wenn alle zusammenhalten, dann haben alle etwas davon. Drei Wochen Sonnenschein und Strand für alle, was gibt’s da noch zu
deuteln. Die große Frage ist: Werden wirklich alle zusammenhalten? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wie hoch sind die Chancen,
dass irgendeiner aus der Gruppe, aus Egoismus, Gemeinheit oder Dummheit, »versehentlich« doch den Knopf drückt?
Je mehr Sie über diese Möglichkeit nachdenken, desto sonnenklarer wird es, dass es die beste Lösung ist, wenn Sie selbst den
Knopf drücken. Bevor irgendein Idiot in einer der anderen Kabinen das tut und allen den schönen Urlaub vermasselt. In dem
Fall haben wenigstens
Sie
etwas davon. Am besten ist es, gar nicht lange darüber nachzudenken. Einfach drücken. Sobald man die Kabine betreten hat.
Wenn Sie schon erkannt haben, dass es in Ihrem eigenen Interesse ist, den Knopf zu drücken, warum dann nicht auch einer der
anderen? Und wer sagt, dass er es nicht ebenfalls auf der Stelle macht?
Der Test der Zeit
Im 17. Jahrhundert hat der britische Philosoph Thomas Hobbes die Formel vom »Krieg aller gegen alle« geprägt, um zu beschreiben,
wie das Leben ohne eine Regierung aussähe. Nach der Kreditkrise, Afghanistan und den diversen Bestechungsskandalen von Parlamentsmitgliedern
kann man sich allerdings fragen, ob man nicht noch mal darüber nachdenken sollte. Mir persönlich gefällt der Spruch des früheren
australischen Premierministers Gough Withlam besser: »Spekulanten wissen, dass ein Pferd namens Moral selten ans Ziel kommt,
während die alte Mähre Eigeninteresse immer gut im Rennen liegt.«
Diese Aussage von Withlam kann man geradezu wörtlich nehmen, wenn man zum Beispiel an die Ergebnisse einer Studie der Princeton
University in den 1970er-Jahren denkt. Die Psychologen John Darley und Daniel Batson teilten die Studenten des theologischen
Seminars in zwei Gruppen. Der einen Gruppe wurde gesagt, sie sollten auf Video einen Vortrag aufnehmen über die Art der Jobs,
für die die Absolventen des Seminars am besten geeignet sind. Die zweite Gruppe sollte über den barmherzigen Samariter sprechen.
Beide Gruppen hatten ein paar Minuten Zeit, sich vorzubereiten und Notizen zu machen. Die Forscher sagten ihnen, das Studio,
in dem die Aufnahme stattfinden sollte, sei in einem Nachbargebäude, das man über einen schmalen Durchgang erreichen konnte.
Jetzt kommt der interessante Teil. Bevor sie aufbrachen, hatten nicht alle Studenten dieselbe Information erhalten. Sie waren
noch mal zusätzlich aufgeteilt worden in drei Gruppen, die ganz unterschiedlich informiert wurden. Der ersten Gruppe sagte
man: »Es wird noch ein bisschen dauern, bis der Aufnahmeraum bereit ist. Aber gehen Sie ruhig schon rüber. Es wird bald so
weit sein.« Der zweiten Gruppe sagte man: »Der Assistent ist bereit für Sie, also machen Sie sich bitte auf den Weg.« Und
der dritten Gruppe sagte man: »Oh, Sie sind spät dran. Man hat Sie schon ein paar Minuten früher erwartet. Wir beeilen uns
besser. Der Assistent wartet schon.«
Dann brachen
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