Gehirnfluesterer
sind, denn Sie haben sie gesehen. Aber Sie haben sie nicht beachtet. Das war ein großer
Fehler.
Wenn Sie nur auf die eine Karte achten und keine Vorstellung von der Art der anderen Karten haben, brauche ich nur irgendeine
Karte wegzunehmen und die anderen fünf auszutauschen. Dann sieht es so aus, als ob die eine, die fehlt, Ihre wäre. Denn sie
war Ihr visuelles Ziel. Eine Art neuronaler Türsteher, der es schaffte, die Aufmerksamkeit durch die Hintertür des Bewusstseins
hinauszuschleusen. Und in ein Taxi nach Hause zu setzen.
Wenn es um Beeinflussung geht, können wir das eine oder andere von Zauberern und Taschendieben lernen. Erinnern Sie sich an
Ron Cooper, da oben in Wind und Regen auf dem Dach. Egal, wie heiß es einem ist, keiner, der bei Verstand ist, würde sich
bei einem solchen Wetter ausziehen, oder? Cooper hatte natürlich einen Grund für sein Handeln. Das T-Shirt . Aber das wusste der Junge an der Dachkante nicht. Er konnte sich diesem Überraschungseffekt nicht entziehen – zumal die
Situation mit jedem geöffneten Knopf bizarrer wurde. Dann kam das große Finale: VERPISS DICH – ICH HABE GENUG FREUNDE!
Noch mehr Überraschung. Noch mehr psychologischer Sprengstoff. In solchen Situationen ist normalerweise Feingefühl gefordert.
Das Angebot einer Schulter zum Ausweinen. Jeder weiß das. Der Junge an der Dachkante wusste es auch. Und Cooper wusste, dass
er es wusste. Doch diesmal sollte es nicht so sein. Es war ein riskantes Spiel, aber Humor hat eine starke Überzeugungskraft,
so dachte Cooper. Mehr, so hoffte er, als einfach mit einer Schulter zum Ausweinen auf dem Dach eines Parkhauses in Wind und
Regen zu stehen.
Wenn es um Beeinflussung geht, dann wirkt in der Zauberkunst Überraschung aus demselben Grund nicht, aus dem sie im Alltag
schon wirkt. Weil sie eben nicht alltäglich ist. Aber die Basis dafür ist dieselbe. Großes verdeckt Kleines.
Der Stroop-Plagegeist
Es ist nichts Neues, dass die Macht der Inkongruenz, der Überraschung, das Gehirn aus der Spur bringt, sich quasi heranschleicht
und es von hinten überfällt. De facto hat das einen langen Bart. »Mach Lärm im Osten und greife von Westen an«, sagten schon
die alten Zen-Meister.
Das ist auch heute noch integraler Bestandteil von Kampfsportarten. Auch beim Karate zum Beispiel gibt es das Prinzip der
Ablenkung. Und vor Gericht, seit den Zeiten der alten griechischen Sophisten ein Schauplatz des sprachlichen Jiu-Jitsu, basiert
Erfolg oft auch auf Überraschung.
Der Anwalt Frederick Smith musste einmal einen Busfahrer verteidigen. Ein Fahrgast hatte auf Schmerzensgeld geklagt, weil
er sich durch die Unachtsamkeit des Fahrers am Arm verletzt habe. Statt den Kläger aggressiv zu befragen, verlegte sich Smith
auf einen versöhnlichen Ton. »Würden Sie bitte dem Gericht zeigen, wie hoch Sie Ihren Arm jetzt nach dem Unfall heben können?«,
fragte er. Der Kläger hob seinen Arm mit schmerzverzerrtem Gesicht bis zu Schulter.
»Vielen Dank«, sagte Smith. »Und würden Sie bitte so freundlich sein, dem Gericht auch zu zeigen, wie hoch Sie Ihren Arm vor
dem Unfall heben konnten?«
Der Kläger hob seinen Arm über den Kopf.
Das Potential der Ablenkung, aufgrund dessen der Überraschungseffekt eine solch starke Wirkung bei der Beeinflussung hat,
lässt sich am folgenden Beispiel noch genauer erkennen. Auf der nächsten Seite sehen Sie eine Reihe von Quadraten. In jedem
Quadrat erscheint an unterschiedlichen Stellen ein Wort. Gehen Sie die Quadrate von links oben nach rechts unten derReihe nach durch und sagen Sie dabei laut, an welcher Stelle das Wort steht (links; rechts; oben; unten). Tun Sie das so schnell,
wie Sie können. Lesen Sie die Wörter nicht, stellen Sie nur fest, an welcher Stelle sie stehen. Alles klar? Dann los …
War das schwierig? Nein? Jetzt möchte ich, dass Sie das Ganze noch mal wiederholen mit den Wörtern unten. Noch einmal: Stellen
Sie nur fest, wo die Wörter stehen. LESEN SIE NICHT –
ICH WIEDERHOLE – NICHT LESEN! Sprechen Sie laut aus, an welcher Stelle die Wörter stehen: oben, unten, links oder rechts.
Und, wie ging es diesmal? Nicht so einfach? Das dachte ich mir. Die meisten Menschen finden diese zweite Übung deutlich schwieriger.
Und warum? Der Grund ist ganz simpel. Bei der zweiten Reihe steht die
bewusste
Anweisung, die Position im Quadrat zu nennen, im Widerspruch zu der
unbewussten
Erwartung, die Wörter einfach zu lesen. Das
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