Gehirnfluesterer
Getriebe des Gehirns kommt ins Stottern durch den bösen Widerspruch zwischen den
Wörtern und ihren Positionen. Plötzlich stimmen Erwartung und Realität nicht mehr überein. Und die Leistung wird schlechter.
Sie haben gerade bei einer Variante des Stroop-Tests mitgemacht, benannt nach dem amerikanischen Psychologen J. Ridley Stroop, schon lange ein Lieblingsbeispiel der Kognitionspsychologen, insbesondere derjenigen, die an den Verarbeitungswegen
und Mechanismen von Aufmerksamkeit interessiert sind. Der Störungseffekt, der durch die widersprüchlichen Antriebe erzeugt
wird, die natürliche Neigung, die Wörter zu lesen, und die teuflische Aufforderung, gegen dieses natürliche Verhalten zu handeln
und nur die Position der Wörter festzustellen, ist nicht auf Sprache begrenzt. Das passiert ständig, zum Beispiel, wenn wir
uns in einer nicht vertrauten Umgebung befinden oder durch etwas Unerwartetes überrascht werden.
Barbara Davies und Eric Knowles von der University of Arkansas haben in zwei Studien mit Straßenhändlern und Haustürverkäufern
gezeigt, wie das wirkt. Sie haben etwas Bemerkenswertes herausgefunden über die Art, wie wir unser Geld ausgeben. Die Zielgruppe
hat doppelt so häufig Weihnachtskarten von einem Haustürverkäufer gekauft, wenn er den Preis in Cents und nicht in Dollar
nannte. Und die Kunden auf einem Markt haben viel mehr Muffins von einem Standbesitzer gekauft, wenn er sie nicht als Muffins,
sondern – etwas unüblich – als Kuchen bezeichnete. Doch es gab einen Haken. In beiden Fällen wirkte der Anreiz nur, wenn er
direkt mit einem Werbespruch verbunden war – bei den Weihnachtskarten: »Das ist ein Schnäppchen!«, und bei den Muffins: »Sie
sind wirklich lecker!«.
Was hier vor sich geht, ist natürlich nicht besonders raffiniert. Es ist ein eher einfacher psychologischer Trick. Der ungereimte»erste Eindruck«, 36 Weihnachtskarten für 2844 Cent, drängt das Hirn dazu, beim Kleingedruckten schlampig zu werden. Die Cents wirklich zu sehen oder auch nicht. Und bevor
es Zeit hat, nachzudenken, kommen Selbstvertrauen und Empathie ins Spiel: Es ist ein Schnäppchen! Überraschung, Selbstvertrauen
und Empathie im Verein wirken wie ein Sondereinsatzkommando. Die Sturmspitze ist die Überraschung – 2844 Cent: Ihr explosiver Auftritt erzeugt Verwirrung. Das lenkt den Adressaten für einen Moment ab. Zu diesem Zeitpunkt, wenn
der kognitive Widerstand eingefroren ist und die Überzeugung gewissermaßen schwerelos wirkt, schleicht sich die selbstbewusste,
empathische nanohypnotische Suggestion ein: Sie sind lecker. Sie trifft das Hirn aus dem Hinterhalt, und dann ist es um Sie
geschehen.
Widersprüche
Die Neurologie der Inkongruenz, die Frage, was im Hirn geschieht, wenn die Türen aufgestoßen und die Fenster eingedrückt werden,
ist ziemlich gut erforscht. Untersuchungen bei Affen haben gezeigt, dass die Amygdala deutlicher auf unerwartete Reize, ob
positive oder negative, reagiert als auf erwartete. Bei Menschen wurde mit Hilfe der Kernspintomographie gezeigt, dass die
Amygdala und die temporoparietale Verzweigung, der Bereich, wo Temporallappen und Partiallappen zusammentreffen (vgl. Abbildung
Seite 50) und wo Neues verarbeitet wird, eine gesteigerte Aktivität vorweisen, wenn sie seltenen, insbesondere seltsamen Ereignissen
ausgesetzt sind. Es ist, wie wir in Kapitel 2 gesehen haben, Überraschung in Form einer plötzlichen und unerwarteten Veränderung
der Tonlage, die dazu führt, dass das Schreien eines Säuglings solche Gefühle auslöst. Ähnliche Effekte gibt es in der Musik
und beim Humor.
Aber es gibt noch eine zweite Funktion von Inkongruenz, die für sich steht, auch wenn sie etwas mit dem explosiven Auftritt
zu tun hat. Das ist ihre Fähigkeit zur Neuausrichtung. Betrachten Sie zum Beispiel die zwei Anzeigen in den Abbildungen oben.
Sie sind sehr unterschiedlich, aber jede ist auf ihre Art sehr wirksam.
Überraschungsmomente in der Werbung
Anzeigen wie diese sind beispielhaft für etwas, das wir Guerilla-Einfluss nennen könnten. Hinterrücks überfallen sie unsere
Erwartungen und nehmen unsere Gefühle als Geisel. Sie zwingen uns, Fragen zu stellen. Etwas neu einzuschätzen. Jemand, der
uns helfen will, hat normalerweise ein Lächeln im Gesicht und kein blaues Auge. Was ist da los? Wenn eine Mietwagenfirma Werbung
macht, dann preist sie sich normalerweise an und setzt sich nicht herab.
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