Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
Vom Netzwerk:
jemand, der nicht zu Empathie fähig ist, gleichzeitig so brillant darin sein, andere zu
     beeinflussen? Von Psychopathen weiß man, dass sie ganz ausgezeichnet in der Lage sind zu verstehen, wie wir ticken. Sie gucken
     uns unter die Haut. Oder in die Köpfe. Keith Barrett zum Beispiel. Oder Mike, den Sie gerade kennengelernt haben. Mike hat
     acht Frauen vergewaltigt und zwei ermordet. Er war, wie der Psychiater meinte, eine Art echter Hannibal Lector. Ein Träger
     des psychologischen Schwarzen Gürtels, mit dem man sich nicht anlegen sollte, wie auch ich auf meine eigenen Kosten feststellen
     konnte.
    Aber um ihr Programm aufzuspielen bzw. abzuspulen, ihr Programm der Überzeugung, müssen Menschen wie Keith und Mike erst mal
     die entsprechende Hardware haben. Nicht irgendeine. Die Hardware der Empathie. Es ist schwierig, da heranzukommen, wenn man
     ein Psychopath ist. Wenn SPICE, das Fünf-Punkte-Modell der Beeinflussung, wirklich universell ist, wie genau gehen dann Psychopathen
     damit um, so fragte ich mich.
    Verborgene Tiefen
    Mit Hilfe der neuen bildgebenden Verfahren – funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) und Magnetenzephalographie (MEG)
     – können wir inzwischen in den dunklen neuronalen Orbit vordringen. Man hat die Entwicklung dieser Verfahren mit der Landung
     auf dem Mond verglichen. Allerdings führt die Reise nicht ins Weltall, sondern in unbekannte innere Räume. Wir sind in der
     Lage, auf dem geheimnisvollen »grauen« Planeten zu landen, den wir alle so gut kennen, auch wenn nur wenige von uns ihn bisher
     genau erforscht haben: der Welt zwischen den Ohren. Einige dieser Welten sind offensichtlich gastfreundlicher als andere.
     Wie die kosmischen Gegenstücke scheinen einige von ihnen für das Leben besser geeignet zu sein als andere. Sie sind warm,
     hell und leicht zu besiedeln. Andere sind eiskalt, dunkel, unzugänglich – kaum erkennbar am äußersten Rand des neurobiologischen
     Firmaments gelegen.
    Eine solche Welt ist die Welt der Psychopathen.
    Es ist oft schwierig einzuschätzen, wie groß der Unterschied zwischen der Welt eines Psychopathen und der eines Nicht-Psychopathen
     wirklich ist. David Bieber, ein ehemaliger U S-Marinesoldat und Rausschmeißer in einem Nachtclub schoss einem Verkehrspolizisten kaltblütig eine Kugel durch den Kopf, als dieser schon
     schwer verletzt auf dem Boden lag und nur Zentimeter von der Mündung der Waffe entfernt um sein Leben flehte. Der Funkapparat
     eines Streifenwagens übermittelte seine letzten Worte: »Bitte, nicht schießen. Nein   …« Und dann kam Biebers Schuss. In seiner Urteilsbegründung sagte der Richter, Bieber habe »weder Reue gezeigt noch die Brutalität
     seines Verbrechens erkannt«. Die Beweisaufnahme habe er »kühl und unbeteiligt« verfolgt. Die 2 4-jährige Tara Haigh, die lebenslänglich erhielt, weil sie ihren dreijährigen Sohn mit einem Kissen erstickt hatte, besuchte Stunden
     nach der Tat ein Dating-Portal im Internet, postete die Nachricht, dass ihr Sohn an einem Tumor hinter dem Ohr gestorben sei,
     und widmete sich wieder ihren Dating-Aktivitäten.
    Um solche Menschen geht es hier. Solche Beispiele liegen so weit ab von normalen Erfahrungen, dass sie sich gegen jedes Verständnis
     sperren. Sie machen jedoch anschaulich, dass Psychopathen jegliche Empathie fehlt. Oder?
    Wie neuere Studien zeigen, liegen die Dinge nämlich keineswegs so einfach. Die Sache ist längst nicht geklärt. Denn die Antwort
     auf die Frage, ob Psychopathen Empathie besitzen, hängt davon ab, von welcher Art Empathie, von welchem Einfühlungsvermögen
     wir sprechen.
    Es gibt zwei Arten, eine »warme« und eine »kalte« Empathie. »Warme« Empathie verlangt Gefühle. Gefühle, die entstehen, wenn
     wir die Aktivitäten eines anderen Menschen beobachten. Sie besetzen die gleichen somato-sensorischen Schaltkreise des Gehirns
     – dazu die Amygdala, das Areal des Gehirns, das für die Verarbeitung von Gefühlen zuständig ist   –, die aktiv werden, wenn wir diese Aufgaben selbst ausführen. »Kalte« Empathie dagegen verlangt Berechnung. Hier geht es
     um die Fähigkeit, kognitiv und leidenschaftslos zu beurteilen, was eine andere Person möglicherweise denkt. Daran sind völlig
     andere neuronale Schaltkreise beteiligt als im Fall der warmen Empathie, vor allem der
anteriore paracinguläre Cortex
(zwischen Frontal- und Temporallappen, siehe Abbildung Seite 50) und der
superiore temporale Sulcus
(obere

Weitere Kostenlose Bücher