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Gehirnfluesterer

Gehirnfluesterer

Titel: Gehirnfluesterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Dutton
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Schläfenfurche).
    Das ist eine völlig andere Welt.
    Warme Empathie ohne kalte Empathie ist wie ein Versmaß ohne Vers. Kalte Empathie ohne warme Empathie ist der Vers ohne Versmaß
     – das völlige Gegenteil. So als ob man eine sehr detaillierte Landkarte benutzt, ohne zu wissen, was die Symbole auf ihr bedeuten.
     Man kann die Karte trotzdem lesen, aber sie hat keine Bedeutung. Einer der Psychopathen, mit denen ich sprach, brachte es
     auf den Punkt: »Selbst ein Farbenblinder weiß, wann er an einer Verkehrsampel anhalten muss.«
    Das richtige Gleis
    Der Unterschied zwischen Psychopathen und Nicht-Psychopathen im Hinblick auf warme und kalte Empathie lässt sich am besten
     mit Ergebnissen aus den genannten bildgebenden Verfahren illustrieren, mit denen Gehirnaktivitäten sichtbar gemacht werden
     können.
    Sehen Sie sich zum Beispiel das folgende Szenario (Fall 1) an. Es stammt von der englischen Moralphilosophin Philippa Foot:
     
    Eine Straßenbahn donnert unkontrolliert über ein Gleis. Auf dem Gleis sind fünf Personen, die ein verrückter Philosoph dort
     festgebunden hat. Glücklicherweise kann man eine Weiche umstellen und die Straßenbahn auf ein anderes Gleis umleiten. Unglücklicherweise
     ist dort eine weitere Person festgebunden.
    Die Frage ist: Sollten Sie die Weiche umstellen?
     
    Die meisten Menschen haben wenig Probleme damit, in dieser Situation zu entscheiden, was zu tun ist. Die Weiche umzustellen
     ist furchtbar, aber es ist nach der Nutzenabwägung, ein Menschenleben zu opfern, um fünf zu retten, die einzige Alternative.
    Einverstanden?
    Nun stellen Sie sich das nächste Szenario vor (Fall 2). Es stammt von der amerikanischen Moralphilosophin Judith Jarvis Thomson:
     
    Eine Straßenbahn donnert unkontrolliert über ein Gleis und droht, fünf Personen zu überrollen. Dieses Mal stehen Sie zufällig
     auf einer Fußgängerbrücke über den Gleisen hinter einem sehr großen, fetten Fremden. Der einzige Weg, die fünf Menschen zu
     retten, besteht darin, den Mann hinunterzustoßen. Er wird sterben, aber mit seinem Körper die Bahn aufhalten und dadurch fünf
     Menschenleben retten.
    Die Frage ist: Dürfen Sie ihn stoßen?
     
    Hier nun stehen wir vor einem echten Dilemma. Zwar ist die utilitaristische Kosten-Nutzen-Rechnung – fünf Menschenlebengegen eines – die gleiche wie im ersten Szenario. Doch die eigene Entscheidung ist erheblich komplizierter. Aber warum?
    Der Psychologe Joshua Greene aus Harvard glaubt, dass er die Antwort hat. Die Ursache dafür, argumentiert Greene, spiegelt
     sich in der Architektur des Gehirns bzw. in den Teilen des Gehirns, die in die Entscheidung bei dem Dilemma jeweils involviert
     sind: Fall 1 ist das, was man ein
unpersönliches
moralisches Dilemma nennen könnte. Hier werden die Gehirnregionen aktiv, die vor allem für rationales Denken verantwortlich
     sind: der
präfrontale
und der
parietale Cortex
. Dort befinden sich die Schaltkreise der
kalten
Empathie. Bei Fall 2 dagegen stehen wir vor einem
persönlichen
moralischen Dilemma. Tatsächlich werden hier die für Gefühle zuständigen Bereiche, vor allem die Amygdala, aktiviert: die
     Schaltkreise der
warmen
Empathie.
    Nicht anders als Sie oder ich haben Psychopathen vergleichsweise wenig Probleme in Fall 1.   Sie stellen die Weiche um, und die Straßenbahn wird umgeleitet. Sie tötet nur einen und nicht fünf Menschen. Interessant wird
     es in Fall 2.   Denn im Unterschied zu Ihnen und mir sehen Psychopathen auch hier kein großes Problem. Sie würden nicht einen Moment zögern,
     den fetten Mann von der Brücke zu stoßen, wenn die Situation es verlangt. Und das spiegelt sich auch in den Gehirnaktivitäten
     wider. Deren Muster sind bei Psychopathen wie Nicht-Psychopathen die gleichen im Fall 1, im Fall des unpersönlichen moralischen
     Dilemmas. Und sie sind radikal verschieden angesichts eines persönlichen moralischen Dilemmas.
    Stellen Sie sich vor, ich hätte Sie an einen Magnetresonanztomographen angeschlossen. Ich lege Ihnen die beiden Fälle zur
     Entscheidung vor, erst den einen, dann den anderen. Was würde ich sehen? Just in dem Moment, in dem Sie sich dem persönlichen
     Dilemma zuwenden, würden die Amygdala und die mit ihr verbundenen Schaltkreise aufleuchten wie Weihnachtsbäume. Die Nervenzellen
     würden feuern.
    Das ist der Augenblick, in dem Gefühle ins Spiel kommen.
    Bei einem Psychopathen würde ich nichts sehen. Es bliebe dunkel im Haus. Der Psychopath hätte den Übergang

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