Gehirnfluesterer
vom Unpersönlichenzum Persönlichen überhaupt nicht wahrgenommen.
Eine interessante Frage ist es auch, ob es Individuen gibt, die extrem hoch auf der Skala der »warmen Empathie« stehen – so
etwas wie »Anti-Psychopathen«. Darauf gibt es Hinweise. Der Neurowissenschaftler Richard Davidson von der University of Wisconsin
hat mit Unterstützung des Dalai Lama untersucht, was im Gehirn von buddhistischen Mönchen vor sich geht, den »Spitzensportlern
der Meditation«, wie er sie nennt, wenn sie eine spezielle Art von Meditation betreiben, die sogenannte Mitleidsmeditation.
Davidson hat festgestellt, dass sich die neuronale Struktur ändert, wenn die Mönche sich bei dieser Meditation völlig auf
bedingungslose Liebe konzentrieren. Die Gamma-Wellen sind dreißig Mal so stark wie normal und die Aktivität im linken präfrontalen
Cortex, der für positive Emotionen zuständig ist, erhöht sich. Solche Ergebnisse, sagt Davidson, könnten wichtige Folgen für
die zukünftige Forschung über Neuroplastizität haben, über die Fähigkeit, Hirnfunktion durch Training, durch Übungen zu verändern.
So wie sich bei einem Musiker die Hirnfunktionen, die für seine Geschicklichkeit am Klavier oder an der Geige wichtig sind,
besonders entwickeln, könnten auch durch geeignete Übungen die Gefühlszentren im Gehirn »trainiert« werden. Wir könnten Empathie
»aufbauen«, genauso wie wir irgendeinen Muskel »aufbauen« können.
Emotionales Kalkül
Eine ähnliche Studie haben Heather Gordon und ihre Mitarbeiter am Centre for Cognitive Neuroscience des Dartmouth College
durchgeführt. Die Aufgabe war es, Gefühle zu erkennen. Dazu sollten die Versuchspersonen eine Folge von Gesichtsausdrücken,
die ihnen auf einem Bildschirm gezeigt wurden, vergleichen. Unter den Versuchspersonen befanden sich sowohl Menschen mit niedriger
als auch solche mit hoher Punktzahl im Psychopathy Personality Inventory (PPI), dem schon erwähntenTest, der entworfen wurde, um subklinische psychopathische Züge in der breiten Bevölkerung aufzudecken. Das Team verglich
die Leistungen beider Untergruppen miteinander. Anschließend wurden die Gehirnaktivitäten der Probanden mittels fMRT dargestellt.
Die Ergebnisse waren interessant. Diejenigen Probanden mit einer hohen PP I-Punktzahl zeigten eine geringere Aktivität inder Amygdala als die mit niedrigen PP I-Werten . Gleichzeitig wurde bei diesen Probanden eine gesteigerte Aktivität sowohl in den präfrontalen Cortices festgestellt – ein
Zeichen dafür, so Gordon und ihre Mitarbeiter, dass »sich Personen mit hoher PP I-Punktzahl auf die Regionen stützen, die mit Wahrnehmung und Kognition verbunden sind«.
entschuldigend freundlich unsicher mutlos
entschlossen amüsiert bestürzt gelangweilt
niedergeschlagen erleichtert schüchtern aufgeregt
Eyes-Test: Welches Gefühl spiegelt sich in den folgenden drei Augenpaaren wider? Wählen Sie eine der jeweils vier Möglichkeiten
aus.
Interessant ist nun, dass Gordon und ihr Team im Hinblick auf die Genauigkeit, mit der Gefühle erkannt wurden,
keine
Unterschiede zwischen den beiden Gruppen feststellen konnten. Das wiederum weist darauf hin, dass Psychopathen, mit welcher
Strategie auch immer, Gefühlsausdrücke anderer ebenso gut entschlüsseln können wie Nicht-Psychopathen.
Simon Baron-Cohen, Psychologe an der University of Cambridge, hat daran angeknüpft und einen »Reading the Mind in the Eyes«-Test
entworfen, auf Deutsch inzwischen kurz Eyes-Test genannt. Seine Versuchspersonen sollten sich Fotografien der Augenpartie
menschlicher Gesichter ansehen und allein aus diesen Detailfotos die Stimmung der Fotografierten erschließen.
Nicht so leicht, wie es klingt, oder? Die meisten Menschen lösen zwei von drei Aufgaben richtig (wobei ich hier allerdings
nicht die einfachsten Beispiele gezeigt habe). So ist auch eine von drei richtigen Lösungen ein gutes Ergebnis. (Die richtige
Antwort am Fuß der Seite.) 2
Dieser »Blick-Lese-Test« ist, wie Sie wahrscheinlich bereits vermuten, ein guter Index für die »kalte Empathie«, im Gegensatz
zur »warmen«. Für die richtige Lösung muss man nämlich die Stimmung der Fotografierten weniger (nach)
fühlen
als vielmehr schlicht kognitiv
erkennen
. Dazu wollte Baron-Cohen erforschen, wie Psychopathen in seinem Test abschneiden. Eigentlich, davon war nach allen früheren
Ergebnissen einschlägiger Untersuchungen auszugehen, durften sie sich von den
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