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Gehirntraining - Ueber Die Benutzung Des Kopfes.

Titel: Gehirntraining - Ueber Die Benutzung Des Kopfes. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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sie auf einem Löffel, direkt auf dem Teller oder gar nicht? Wie und wann haben Sie das gelernt? Die Antwort auf diese Fragen führt uns zu einer der spannendsten Entdeckungen der Hirnforschung. Beginnen wir mit drei Fallbeispielen: Eine Mutter wünscht, dass ihr Dreizehnjähriger öfter im Haushalt hilft. Sie überredet ihren Lebenspartner, regelmäßig zu helfen, damit der Junge das richtige Vorbild hat. Hilft ihr das?
    Anderer Fall: Zwei Sechsjährige erhalten heute beide ihr erstes Fahrrad. Der eine springt auf und fährt innerhalb kürzester Zeit; es reicht, dass Papa das Rad kurz seitlich
hält, bis er die Balance findet. Der andere Junge braucht wochenlang Stützräder. Warum?
    Kennen Sie den Typ Rebell, der als junger Aufsässiger seit seiner Schulzeit gegen diktatorische Lehrer und Chefs kämpft und eines Tages genau die Art von selbstherrlichem Chef wird, die er immer abgelehnt hatte? Besonders pikant ist die Tatsache, dass er der Einzige ist, der das nicht bemerkt.
    Ein Kind also sieht den Eltern jahrelang zu, wenn sie Spaghetti essen. Eines Tages beherrscht es die Gabel, und bald lernt es, auch Spaghetti zu essen, und zwar genau so, wie seine Eltern das tun. Beim Zuschauen wurden nämlich bestimmte Gruppen von »Spaghetti-Neuronen« im Gehirn aktiviert. Ihre genaue Bezeichnung lautet Spiegelneurone (sie spiegeln das Verhalten in der Welt). Sie werden aktiv, wenn wir erstens anderen zusehen, die ihre Spaghetti aufrollen; wenn wir zweitens es selbst tun und wenn wir drittens daran denken, dass jemand Spaghetti essen könnte. Vielleicht haben wir gerade ein Plakat gesehen, das uns erinnert, oder jemand hat Spaghetti auch nur erwähnt, und schon funken unsere Spaghetti-Neuronen.
    Wir verdanken diese Kenntnis einem Zufall, der sich 1995 in Italien, im Labor von Giacomo Rizzolatti und Vittorio Gallese in Parma, abspielte. Es begann mit Affen, die beim Greifen nach einer Nuss bestimmte Neurone entwickeln, die aber auch feuern, wenn ein Affe einem Versuchsleiter zusieht, der eine Nuss anfasst. Wobei man rein zufällig entdeckte, dass in diesem Augenblick die »Nuss-Greif-Neuronen« ebenfalls feuerten. Bald wurden diese besonderen Neuronen auch bei Menschen ausgemacht.

    Die Spiegelneurone sind die neurophysiologische Grundlage für die beste Lernmethode, wenn es um Tätigkeiten geht. Sie helfen uns, durch Zuschauen und Nachmachen immer wieder Neues zu lernen. Spiegelneurone sind auch aktiv, wenn wir beobachten, wie Mitmenschen emotional agieren oder reagieren. So geht man heute davon aus, dass Jugendliche, die in Konflikten immer sofort zuschlagen, viele Gemütszustände zwischen ruhig und aggressiv gar nicht kennen, wenn sie aus Elternhäusern kommen, in denen ein extrem sparsames emotionales Umfeld geboten wird. Sie können etwa auf Fotos nicht oder schlechter als andere erkennen, ob jemand sich freut oder nicht.
    Die im Zusammenhang mit den Spiegelneuronen gemachten Entdeckungen liefern den neurophysiologischen Beweis dafür, dass Gedanken physiologische, also materielle Wirkungen erzeugen (was man lange bestritten hat). Diese neuen Befunde erklären nicht nur, warum Mentaltraining funktioniert, sondern sie helfen uns auch, die anfangs vorgestellten Beispiele zu verstehen.
    Beginnen wir mit dem Jungen, dessen Mutter ihn zu mehr Hausarbeit »erziehen« möchte. Wird die Strategie aufgehen, wenn er seinen Vater regelmäßig Geschirr trocknen sieht? Ruth Harris berichtet in ihrem Buch mit dem (leider sehr irreführenden) deutschen Titel »Ist Erziehung sinnlos?« über dieses Phänomen und beschreibt, was ich als Zeitbombe bezeichne: Die Mutter hat zuerst nichts von ihrer Vorbildstrategie, denn den pubertierenden Jungen interessiert viel mehr, was die Freunde und Nachbarjungen tun als die Eltern. Aber wenn er das Alter erreicht haben wird, in dem der geschirrtrocknende Vater sich
heute befindet, dann wird es sehr wichtig sein, welches Vorbild er damals hatte. Im Klartext: Wir können von Spiegelneuronen unterstützte Lernprozesse in drei Kategorien unterteilen. Zum einen können sie sofort oder wenigstens bald wirken. Dann, wenn wir eine einfache neue Tätigkeit lernen wollen, was über Zuschauen, Mitmachen, Nachmachen am leichtesten geht.
    Zweitens wirken Spiegelneurone über einen längeren Zeitraum: Hier finden wir sowohl den Sechsjährigen wieder, der seit zwei Jahren allen Radfahrern sehnsüchtig hinterherschaut, weil er so gerne selbst fahren möchte. Er legt einen Großteil der Spiegelneuronen für

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