Gehirnwaesche - Die Aasgeier - Streit bis aufs Blut
Fluß standen die schwarzen Lederzelte der Hirten. Es war ein friedlicher An blick. Der Rauch von Lagerfeuern stieg Chavasse in die Nase und weckte alte Erinnerungen aus der Kindheit.
Fünfzig oder sechzig Menschen drängten sich um das offene Tor und blickten auf den Klosterhof. Plötzlich zitterte ein tiefer Ton durch die Luft und wurde von den Wänden des Tals als Echo zurückgeworfen.
Aufgeregt streckte Kurbsky die Hand aus. »Da, sehen Sie – auf dem Dach des höchsten Gebäudes –, ein Mönch schlägt gerade den Radong! Ich habe gelesen, daß sie sich mit diesen Signalen über viele Kilometer hinweg verständigen können.«
Die Menschenmenge am Tor wandte sich jetzt dem Jeep zu. Meist waren es Hirten aus den Bergen, in Shubas gehüllt, manche mit breiten Jagdmessern im Gürtel. Sie machten einen ausgesprochen unfreundlichen Eindruck. Der Soldat am Dreh kranz entsicherte sofort das MG und kontrollierte das Magazin. Der Jeep verlangsamte sein Tempo. Ebenso langsam wichen die Menschen auseinander, um sie durchzulassen.
Das phantastische Schauspiel auf dem Klosterhof verdrängte für den Augenblick bei Chavasse jeden anderen Gedanken.
Eine Gruppe von Lamas in ihren traditionellen Festgewän
dern war gerade bei einer feierlichen Zeremonie. In ihren blauen, roten und gelben Seidengewändern, mit furchterregen den Dämonenmasken vor den Gesichtern, wirbelten sie in einem atemberaubenden Totentanz durcheinander und schwan gen dabei breite Schwerter über den Häuptern.
»Was für ein Glück!« schrie Kurbsky erregt. »Von dieser Zeremonie habe ich schon gehört. Ein Fremder bekommt sie sonst kaum jemals zu sehen. Das ist der Tanz vom Sturz des Königs der Hölle!«
Er öffnete seinen Rucksack, holte die Kamera hervor und fotografierte, so schnell er nur konnte.
Chavasse saß regungslos da, gebannt von dem Gedanken, daß sich gleich etwas Furchtbares ereignen mußte. Plötzlich fühlte er sich ganz leicht im Kopf, und auch die Übelkeit war wieder zu spüren.
Die Dämonen tanzten in immer engeren Kreisen umeinander, sie sprangen hoch in die Luft, bis ihre Gürtel aus Menschen knochen waagrecht von den Hüften abstanden. Zu immer rasenderen Rhythmen steigerte sich die Musik der Conchen und Trommeln. Der Soldat am MG lehnte sich mit staunend aufgerissenem Mund auf den Lauf seiner Waffe.
Dann merkte Chavasse, daß die Dämonen allmählich einen Kreis um den Jeep gebildet hatten, daß sie näher und näher rückten. Die Männer, die vor dem Tor gestanden hatten, drängten auf den Hof herein.
Kurbsky und seine beiden Begleiter waren immer noch ah nungslos. Einmal fluchte der Russe leise vor sich hin, schob einen neuen Film in die Kamera und knipste dann weiter.
Chavasse hatte unterdessen einen Mann im Auge behalten, der ganz offensichtlich den Tanz der anderen Masken dirigier te. Sein Gewand war scharlachrot, seine Maske rot-weiß und mit mehreren langen, schwarzen Pferdeschwänzen verziert. Das in seiner Hand kreisende Schwert malte ein blitzendes Rad in die Luft. Plötzlich war er ganz nahe. Seine Rechte vollführte von der linken Schulter aus einen furchtbaren Rückhandschlag. Der Soldat am MG fiel auf Chavasse und stürzte über die Seite des Jeeps zu Boden. Sein Kopf war halb vom Körper getrennt.
Für eine Sekunde war alles vollkommen still. Dann brüllte die Menge auf und stürmte heran. Chavasse glaubte, das Blut in den Adern müßte ihm gefrieren, als der Dämon die Maske vom Gesicht riß und er Joro erkannte. Das Gesicht des Tibetaners war steinern und kalt – das Gesicht eines Henkers.
Der Fahrer schrie einmal auf, als sie ihn von seinem Sitz rissen. Kurbsky stand regungslos da, die Kamera immer noch halb erhoben. Sein Gesicht war eine Maske des Grauens. Er warf Chavasse einen letzten, fassungslosen Blick zu, bevor auch er vom Sitz gezerrt wurde. Für einen Moment kam er noch einmal auf die Beine; sein Gesicht war blutverschmiert. Dann versank er zwischen den Leibern der anderen, wie ein Ertrinkender im Meer.
Ohne einen klaren Gedanken zu fassen, sprang Chavasse vom Jeep und versuchte, sich durch die Wand aus Menschenleibern zu dem Russen durchzukämpfen.
Schreckliche Gesichter starrten ihn an, viele Hände verkrall ten sich in seiner Shuba. Einem Mann schlug er die Faust ans Kinn, dann schoß ihm plötzlich ein greller Schmerz durch den Kopf. Alles versank in einem Abgrund von Finsternis.
6
Ganz langsam schlug er die Augen auf. Entsetzen
Weitere Kostenlose Bücher