Gehirnwaesche - Die Aasgeier - Streit bis aufs Blut
sie nicht so zitterten. Er versuchte zu lä cheln. »Es kommt mir vor, als ob ich einen Malariaanfall hätte.«
»Es ist nur die Höhenkrankheit. Morgen früh geht es Ihnen schon wieder viel besser.«
Er verließ das Zelt. Chavasse blickte ihm nach und dachte, man lernt eben immer wieder etwas Neues dazu! Der letzte Russe, mit dem er in Berührung gekommen war, war ein Smersh -Agent gewesen. Bald darauf hatte Chruschtschow diese Organisation aufgelöst. Es war kaum vorstellbar, daß dieser Agent und Kurbsky Angehörige derselben Nation waren.
Eine Lösung seines Problems war diese Erkenntnis auch nicht. Es gab vermutlich gar keine Lösung. Er schloß die Augen. Was immer die Pille enthalten mochte, das Zeug half jedenfalls. Die Kopfschmerzen waren wie weggeblasen, und eine angenehme Wärme breitete sich in seinem Körper aus. Er zog sich das Kopf teil des Schlafsacks vor das Gesicht und schlief auf der Stelle ein.
Trotz des unglaublich blauen Morgenhimmels wehte immer noch ein eiskalter Wind. Chavasse stand neben dem Jeep und schaute den beiden Soldaten beim Abbrechen des Lager zu. Er sah schlecht aus, kam sich schlapp und kraftlos vor.
Selbst Kurbsky machte an diesem Morgen einen veränderten Eindruck. Er war ernst, und die Linien in seinem Gesicht hatten sich tiefer eingekerbt, als ob er schlecht geschlafen hätte. Als sie fertig waren, forderte er Chavasse mit einer beinahe ent schuldigenden Geste zum Einsteigen auf. Chavasse kletterte auf den Rücksitz hinter dem MG-Drehkranz.
Die Räder rollten knirschend über den gefrorenen Boden. Vor ihnen erstreckte sich scheinbar endlos die Steppe mit dem bereiften, braunen Gras.
Nach einer halben Stunde erreichten sie die breite Landstraße, die neunzehnsiebenundfünfzig beim drohenden Aufstand der Khambas zur leichteren Truppenverschiebung zwischen Sinkiang und Jarkend gebaut worden war.
»Ein echter Fortschritt, diese Straße«, bemerkte Kurbsky. »Meinen Sie nicht auch?«
»Das kommt ganz auf den Standpunkt an«, antwortete Cha vasse. »Wie viele tausend Tibetaner mögen beim Bau der Straße wohl gestorben sein?«
Über das Gesicht des Russen zog ein Schatten. Er bellte auf chinesisch einen kurzen Befehl. Der Jeep rollte über die Stra ßenböschung und auf das helle Band, das leer und irgendwie fremdartig wirkte.
Kurbsky schien die Lust zur Fortsetzung der Unterhaltung vergangen zu sein. Chavasse lehnte sich zurück und betrachtete die Landschaft. Auf der einen Seite erhob sich das Aksai-ChinPlateau in den blauen Himmel, doch vor ihnen erstreckten sich nur die leichten Bodenwellen der Steppe. Nach einer halbstün digen Fahrt erreichten sie eine breite, ebene Niederung. Der Boden bestand hier aus festgebackenem Sand und Kies. Hier trat der Fahrer das Gaspedal durch, und der Jeep raste mit zunehmendem Tempo dahin. Der kalte Fahrtwind peitschte Chavasse ins Gesicht und weckte seine Lebensgeister. Am Ende der ebenen Strecke schaltete der Fahrer herunter und steuerte den Wagen einen leicht ansteigenden Hügel hinauf. Als sie den höchsten Punkt der Kuppe erreicht hatten, sah Chavasse vor sich im Tal das Kloster liegen.
Der Anblick traf ihn wie ein Schlag. Als sie ins Tal hinabroll ten, konnte er die Erregung kaum noch meistern. Es kostete ihn Mühe, seine Stimme gleichgültig klingen zu lassen. »Halten wir hier?«
Kurbsky nickte kurz. »Ich sehe keinen Grund, diese Gelegen heit auszulassen. Ich arbeite gerade an einer Artikelserie über den Buddhismus. Dieses Kloster hier ist als einziges weit und breit noch in Betrieb. Ein bis zwei Stunden Aufenthalt machen nun auch nichts mehr aus.«
In diesem Augenblick hätte sich Chavasse um ein Haar verra ten. Es konnte kaum ein Zweifel bestehen – das hier mußte das Kloster Yalung Gompa sein, laut Joro das Widerstandszentrum für die ganze Gegend! Für einen Russen und zwei chinesische Soldaten war das der ungesündeste Ort auf der ganzen Welt. Doch das Schicksal hatte Kurbsky seinen Weg vorgezeichnet; für ihn gab es kein Entrinnen mehr.
Mit einem seltsamen Gefühl des Bedauerns lehnte sich Cha vasse zurück und wartete ab.
Das Lamakloster bestand aus mehreren flachen, ockerfarben gestrichenen Gebäuden, die sich an eine Talwand schmiegten. Die ganze Anlage war von einer hohen Mauer umgeben. Das breite Doppeltor stand offen und gewährte Einblick auf den Klosterhof.
Neben den Mauern weideten große Herden von Jaks und kleinen Tibetanerpferden. Drüben neben dem
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