Gehirnwaesche - Die Aasgeier - Streit bis aufs Blut
entzückt. »Sie wollen in Ihrer Zeitung einen Artikel über unseren guten Doktor bringen!«
»Ich wüßte nicht, was mich sonst in diesen finsteren Winkel gelockt hätte«, brummte Chavasse. »Ich habe in Lhasa von Dr. Hoffner gehört. Scheint ein ganz außergewöhnlicher Mann zu sein.«
»Das ist er wirklich, Genosse! Die Landbevölkerung verehrt ihn, und er hilft unserer guten Sache enorm.« Er griff nach seiner Kappe. »Ich werde Sie persönlich zu seinem Haus begleiten.«
Unwillkürlich zog Chavasse die Stirn in Falten. »Der gute Doktor ist mit dem einverstanden, was Sie hier machen?«
Tsen nickte. »Aber selbstverständlich! Er ist ein großer Men
schenfreund. Er und der Oberst sind eng befreundet. Sie spielen sogar miteinander Schach.«
Im Vorraum sagte er ein paar Worte zu dem Unteroffizier. Der nahm seine Kappe und rannte eilig los.
»Ich habe ihn vorausgeschickt, damit er bei der Genossin Stranoff unseren Besuch ankündigt«, erklärte Tsen.
»Stranoff?« fragte Chavasse. Sie waren schon auf der Treppe.
»Das ist Dr. Hoffners Haushälterin«, erläuterte Tsen. »Ihr Vater war Russe, ihre Mutter Chinesin. Eine großartige Frau!« Eine plötzliche Wärme klang in seiner Stimme auf.
Chavasse mußte ein Lächeln unterdrücken. »Ich bin schon sehr auf sie gespannt.«
Er brachte es fertig, Joro nur sehr kühl zuzunicken, als der Tibetaner auf den Rücksitz kletterte, um ihm und Tsen Platz zu machen. Dann fuhren sie aus dem Klosterhof in die engen Straßen der Stadt hinunter. Sie kamen durch den Basar, wo Teppichhändler, Schuhmacher und Silberschmiede unter freiem Himmel ihrem Gewerbe nachgingen. Wenn Chavasse laut hupte, sprangen die Fußgänger beiseite und warfen dem Jeep finstere, drohende Blicke nach.
Hoffners Haus war eines der größten der Stadt. Es hatte drei Stockwerke und ein Flachdach wie die anderen Gebäude auch. Eine hohe Mauer umgab das ganze Grundstück. Sie fuhren durch ein Tor auf den Innenhof.
Chavasse hielt den Wagen vor der Tür an und stellte den Motor ab. Dann stieg er die Stufen zur Haustür empor, dicht gefolgt von Hauptmann Tsen. In diesem Augenblick ging die Tür auf. Eine junge, zierlich gewachsene Frau trat zur Begrü ßung heraus. Sie trug enge gefütterte Hosen und ein russisches Hemd aus schwarzer Seide, das bis zum Hals geschlossen und mit wunderschöner Goldstickerei verziert war. Ihr Haar war ziemlich hell, aber ihre Haut hatte die cremefarbene Schattie rung, die man oft bei Eurasiern findet. Ihre vollen Lippen verliehen ihr einen sinnlichen Zug.
Von ihr ging die atemberaubende Schönheit aus, die sich immer hinter Schlichtheit verbirgt. Chavasse spürte den Schau der, der ihm über den Rücken lief.
Sie stand vor ihm, betrachtete ihn ernst und forschend und lächelte dann auf einmal. »Ich freue mich, daß Sie hier sind«, sagte sie auf russisch.
Chavasse leckte sich über die trockenen Lippen. »Und ich bin froh, daß ich hier sein darf«, antwortete er.
Dann führte sie ihn ins Haus. Chavasse überraschte sich bei der Feststellung, daß es ihm bei der höflichen Redensart ernst gewesen war.
7
Das Zimmer war allem Anschein nach die gute Stube des Hauses. Die Wände waren verputzt und bemalt, der Holzboden mit Schaffellen belegt. Das Bett sah sehr bequem aus. Chavas se saß in einem hölzernen Badefaß, bis zum Hals im heißen Wasser. Er rauchte eine Papirossa und dachte über Katja Stranoff nach. Im offenen Kamin knisterte das Feuer.
Ob sie wohl so etwas wie einen Freund hatte? Hoffner war zu alt für sie, aber Hauptmann Tsen machte aus seiner Verehrung für sie kein Hehl. Außerdem war noch Oberst Li zu bedenken, von dem er bisher so gut wie nichts wußte.
Die Tür öffnete sich. Joro trat mit einem sauberen Wäsche bündel ein. Er legte die Sachen auf den Stuhl und hockte sich neben das Badefaß.
»Die Frau hat mir befohlen, Ihnen frische Sachen zu brin gen.«
»Ich habe schon erwartet, daß Sie irgendwie auftauchen wür
den. Behandelt man Sie anständig?«
Joro nickte. »Ich schlafe in der Küche. Das ist immer noch wärmer als draußen im Stall.« Besorgt schüttelte er den Kopf. »Hier hat sich manches verändert, seit ich zuletzt hier war.«
Chavasse griff nach dem Badetuch, stand auf und begann sich abzutrocknen. »Inwiefern?«
»Es ist niemand von denen mehr hier, die ich kenne. In ge wisser Weise ist das ganz gut so. Auch das Mädchen habe ich noch nie gesehen. Im Augenblick
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