Gehirnwaesche - Die Aasgeier - Streit bis aufs Blut
dem Schreibtisch sah aus wie ein Student. Überrascht blickte er von der Arbeit auf. Als er Chavasse erblickte, weiteten sich die hellen Augen hinter den dicken, randlosen Gläsern. Er sprang hoch.
»Wo ist Hauptmann Tsen?« fragte Chavasse ungeduldig.
Der Unteroffizier öffnete schon den Mund zu einer Antwort, aber dann schloß er ihn wieder und wandte sich mehr instinktiv einer Tür hinter seinem Rücken zu. Chavasse ging einfach an ihm vorbei durch die Tür.
Der junge Offizier an dem Schreibtisch war höchstens fünf undzwanzig. Er erhob sich und runzelte verblüfft die Stirn. Chavasse sah, daß der Mann höchstens einen Meter sechzig maß.
»Sie sind Tsen?« fragte er mit wütender Stimme. »Mein Gott, ist das eine Sauwirtschaft hier! Am Haupteingang spielt die Wache mit Würfeln, und unten an der Tür lehnt ein Posten lässig an der Mauer, während die Rebellen frei herumlaufen und Ihre eigenen Leute ermorden!«
Tsen versuchte krampfhaft, seine angeschlagene Autorität wiederherzustellen. Er schloß seinen Kragen und wandte sich in scharfem Ton an den Unteroffizier: »Was geht hier eigent lich vor? Wer ist dieser Mann?«
»Wer ich bin?« schaltete sich Chavasse ein, »Mann, Sie ken nen mich nicht? Ich bin Kurbsky. Man hat Sie von Lhasa aus doch sicher telegrafisch von meinem Kommen unterrichtet?«
»Kurbsky?« fragte Tsen verständnislos. »Lhasa …?«
»Ich bin Journalist, Sie Esel!« brüllte Chavasse ihn an. »Ich
bereise Tibet, um Berichte für meine Zeitung in Moskau zu sammeln. Einen feinen Bericht hab’ ich da, das kann ich Ihnen flüstern! Eine Bande mörderischer Wegelagerer überfällt mich, schneidet meiner Eskorte die Hälse durch und nimmt mich gefangen. In der Prawda wird sich das gut ausmachen! Ich weiß zwar nicht, wer hier eigentlich das Kommando führt, aber wenn das Zentralkomitee in Peking davon erfährt, dann werden ein paar Köpfe rollen, das verspreche ich Ihnen!«
Hauptmann Tsens Gesicht nahm eine aschgraue Farbe an. Hastig zog er einen Stuhl heran. »Bitte – nehmen Sie doch Platz. Ich hatte wirklich keine Ahnung von diesen Dingen.«
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Hoffentlich haben Sie wenigstens einen Schluck zu trinken hier.«
Tsen gab dem Unteroffizier einen kurzen Wink. Der ging zu einem Wandbord, holte eine dunkle Flasche und ein Glas und schenkte hastig ein.
»Was, zum Teufel, soll das für ein Gesöff sein?« fragte Cha vasse wütend, als ihm der scharfe Alkohol in der Kehle brannte. »Ist das vielleicht Benzin?«
Tsen bemühte sich um ein Lächeln, aber es fiel sehr gequält aus. Er setzte sich wieder. »Kann ich bitte Ihre Papiere sehen, Genosse Kurbsky?«
»Papiere?« fragte Chavasse erstaunt. »Mann, wo leben Sie eigentlich? Die Gauner haben mich gründlich gefilzt. Ich bin froh, daß ich selbst noch heil geblieben bin. Geben Sie einen Funkspruch nach Lhasa auf, dann erfahren Sie alles, was Sie über mich wissen wollen.«
Hauptmann Tsen lächelte verbindlich. »Selbstverständlich, Genosse, aber das hat Zeit bis später. Wollen Sie vielleicht kurz berichten, was geschehen ist?«
Chavasse erstattete einen Kurzbericht der Ereignisse. Als er fertig war, fragte Tsen: »Der Tibetaner, der Ihnen das Leben gerettet hat – ist er mitgekommen?«
Chavasse nickte. »Er sitzt draußen im Jeep, aber versuchen Sie ja nicht, einen Helden aus ihm zu machen. Er hat mir doch nur geholfen, weil er genau wußte, was für ihn gesund ist. Diese Tibetaner sind doch alle dieselben räudigen Hunde. Sie werden nur auf eine einzige Art mit ihnen fertig, Hauptmann: man muß sie unter der Knute halten, und zwar ganz hart!«
»Da kann ich Ihnen nur zustimmen, Genosse«, sagte Tsen überzeugt. »Für den Augenblick hat das Zentralkomitee in Peking allerdings andere Methoden angeordnet.«
»Sie werden schon sehen, wie weit sie damit kommen.« Er stand auf. »Wenn Sie im Augenblick keine weiteren Fragen haben, Hauptmann, möchte ich wieder gehen. Ich brauche dringend ein Bad und etwas zu essen.«
»Aber – wohin wollen Sie denn gehen? Ich werde Ihnen selbstverständliche eine Unterkunft zuweisen lassen.«
Chavasse hielt es für richtig, sich jetzt etwas zugänglicher zu geben. »Sehr freundlich von Ihnen, aber ich hoffe, daß Hoffner mich aufnehmen wird. Schließlich bin ich seinetwegen herge kommen.«
Auf Tsens Gesicht ging die Sonne auf. Begeistert sprang er von seinem Stuhl hoch. »Ah – jetzt verstehe ich erst!« rief er
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