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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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ist. Dann muss man nicht rein in den Wettb e werb. Kann pausieren. Ausatmen. Vielleicht gibt’s sogar einen Hauch mitleidender Zuwendung. Zumindest Aufmerksamkeit. Aber nur wenn es nicht zu viel Andersa r tigkeit ist. Kleine Fehler im System sind okay, große will man nicht. Die machen Angst.
    Ich schaue ins Internet, aber pitpuff69 ist schon wieder nicht erreichbar. Ich lese den Blog der Mutter nach, was sie heute alles getan hat. Sie war mit den Kindern im Technischen M u seum bei dem alten Feuerwehrauto. Spannend , oder? Das Feuerwehrauto erinnert mich an meine Boa. War sie vielleicht doch nicht tot? Ich war mir sicher, dass sie gestorben war, als ich sie in die Kiste g e packt habe. Ist sie wiederauferstanden , oder hat eine tote Schlange die alte Frau so erschreckt? Ich hätte sie vielleicht Jesus taufen sollen. Ist man tot, wenn man tot ist? Oder gilt man bereits als tot, wenn man sich nur tot stellt? Oder ist man lebendig, wenn man tot ist und man für lebend gehalten wird?
    Ich humple Richtung Abendessen. Bei der Vorspeise tun mir noch meine Wunden weh. Tsatsiki. Schön kühl. Beim ersten Gang erinnere ich mich an meine gute Laune beim Check In. Saganaki. We i ßer Käse. Beim zweiten Gang amüsiert mich ein bisschen die Besorgnis von Frederick. Fleischlaberl. Und bei der Nachspeise bin ich sogar etwas zuversichtlich. Honig. Br ö sel. Denn jetzt sind es nur mehr sechs Tage, die ich leben werde, dem Wiener Regenwetter bin ich entflogen, die schwarzha a rige Kellnerin freut sich riesig über mein großes Trinkgeld. Große, dunkle Augen. Große, dunkle Brüste. Offenbar fest. Ich glaube, ich mache doch nicht alles falsch. Manchmal z u mindest.

 
    Noch sechs Tage, Mittwoch
     
    So ist das: Ich wache auf und habe Angst. Lebensangst, keine Todesangst. Noch sechs Tage zu leben. Erst ein Siebentel oder rund 14 Prozent des noch verfügbaren Scheißlebens bewä l tigt. Es kommt mir ein banaler Vergleich mit dem Alkoholgehalt von Rotwein in den Sinn, den ich gleich mit griech i schem Kaffee ganz weit weg spüle. Die Zuversicht von gestern Abend ist Geschichte. Weit, weit weg. Wie aus einem anderen Leben. Die Nacht war mühsam, der Schlaf schlecht. Ich wünsc h te, ich könnte einmal tief und zufrieden schlafen, wie ein B a by. Mich geborgen fühlen, nicht immer nur fehl am Platz.
    Die Menschen wirken so jung hier. So lebendig. Sie r e den miteinander. Sie lachen. Sie greifen sich an und wi n ken sich zu. Sie gehen aufrecht und stolz. Ich habe das Gefühl, schon immer alt gewesen zu sein. Ich hasse die Anderen. Ich bemi t leide mich.
    Vielleicht sollte ich meinen Vater besuchen. Statt nach Wien fliege ich am besten zu ihm. Ich muss ihn ja nicht gleich outen. Eher verinnerlichen. Immer wenn ich ve r zweifelt bin, wenn ich nicht mehr weiter weiß, wenn ich nicht mehr essen, nur mehr trinken, nicht mehr lieben und nicht mehr leben will, dann sollte ich versuchen, die Kraft meines Vaters zu spüren. Das haben mir schon mehrere Th e rapeuten gesagt. Bloß welche Kraft denn bitte? Wenn ich an meinen Vater denke, dann hasse ich ihn, weil ich ihm egal bin, oder ich vermisse ihn, weil er mir nicht egal ist. Aber selbst dann, wenn ich ihn vermisse, bin ich ihm egal. Wie soll ich also eine Kraft anne h men, wenn die Quelle der Kraft mich nicht einmal wahrnimmt. Ein Auto kann auch nicht fahren, wenn das Be n zin noch in der Tankstelle ist und das Auto noch nie an der Tankstelle war. Das Wissen des Autos, dass es grundsätzlich eine Tan k stelle gibt, reicht nicht einmal aus , um zu starten.
    In diesem Moment wird mir bewusst, dass das Auto zur Tankstelle kommen muss und nicht umgekehrt. Aber wahrschei n lich habe ich bloß ein schlechtes Beispiel gewählt. Ich bin eben ein dummer Idiot. Nur mehr sechs Tage. Wofür brauche ich diese paar Tage noch einen Vater, wenn ich es 36 Jahre ohne ihn geschafft habe? Lächerlich. Eben. Geh scheißen, Dad.
    Ich hätte gerne einen Vater gehabt, der so ist wie die alten, griechischen Männer in diesen Dass-nur-ja-keine-Frau-es-wagen-möge-hier-herein-zu-kommen-Lokalen auf mich wirken. So souverän män n lich. So schonungslos patriarchalisch und doch gütig. So stumm, stur und liebenswert. Scheinbar desinteressiert, aber dennoch aus dem Augenwinkel au f merksam wie ein Raubtier. Also etwa genau so, wie ich mir als Kind den lieben Gott immer vorgestellt habe. Naja. Nicht ganz. Der liebe Gott hatte niemals eine Mütze auf. Und er trank wohl keinen Ouzo. Außerdem war sein Mantel blau oder rot,

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