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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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anders. Freust du dich über den Parkplatz in der Nähe, warten andere Hürden. Glaubst du, du hast dich verliebt, wirst du to d krank , oder deine Mutter ruft an und macht alles kaputt. Ich gehe zu Fuß die Stiegen hoch, keuche, schimpfe, rülpse. Meine Wunden schmerzen. Niemand sieht mich leiden. Im nächsten Leben werde ich öfter laufen , denke ich. Dann habe ich mehr Kondition und mehr Ehrgeiz. Und dann zeige ich es euch Arschlöchern. Allen von euch. Dann bin ich wer. Ich. Ja ich.
    Im dritten Stock sehe ich Frederick eine Tür aufsperren.
    „Stell dir vor, die Frau Schönthaler ist gestern gesto r ben“, sagt er.
    „Das tut mir leid“, sage ich (und das ist nicht gelogen). Dann schweige ich. Ich denke, Frau Schönth a ler hatte Glück. Denn ich würde gerne wegen des Anblicks einer Schlange sterben. Vor allem, wenn ich schon so alt wäre. Nur wenn man so was plant, funktioniert das nicht. Doch mir fällt ein, ich könnte ja recherchieren, wo man in Wien noch an Schlangengift sterben kann. Vielleicht fi n de ich ja auf die Schnelle eine neue Schlange, diesmal eine , die giftig ist. Aber was, wenn sie mich nicht beißt? Was, wenn ich sie nicht gern habe? Und wird man einen Zusammenhang zur Boa aus dem Altpapiercontainer herstellen, wenn man die Schlange dann in meiner Wo h nung oder bei mir findet?
    „Du bist auch ganz durch den Wind“, unterbricht Fred e rick meine Gedanken.
    „Ja“, sag ich. „Das ist alles schwer zu verstehen.“ (Auch das ist keine Lüge.)
    „Magst du ihre Wohnung sehen?“
    Ich bin zu passiv, und Frederick wertet das als Zustimmung. Frau Schönthaler war definitiv keine Freundin guter Luft. Das ist mein erster Eindruck, als Frederick und ich die finstere und stickige 3-Zimmer-Wohnung unserer frisch verstorbenen Nachbarin im dritten Stock betreten. „Ich dachte, du hast regelmäßig für sie eingekauft?“, frage ich Frederick und deute auf das verfaulte Obst am Küchentisch und das verschimme l te Brot am Fensterbrett.
    „Habe ich auch“, antwortet Frederick, „aber ich hatte keinen Auftrag es auch wieder weg zu werfen.“
    Mir graut. Vor dem Essen, vor Frederick. Vor mir, vor dem Leben.
    Unter einem alten, grauen Sofa funkeln die dunklen A u gen einer leicht angespannt wirkenden Katze hervor. Ich will gerade zu einer peinlichen Schau von Hundeimitationsgerä u schen ansetzen, als mir beim Einatmen urplöt z lich die Luft wegbleibt.
    Ich fixiere das kleine, hölzerne Kinderschaukelpferd, das ei n sam und verlassen dort in der Ecke hinter dem alten, grauen Sofa steht. Der Pferdekopf grinst mich hämisch an. Das ganze Ding scheint leicht hin und her zu wippen. Auf einmal sitzt ein Kind am Schaukelpferd. Das Kind bin ich. Als Kind. Ich Kind schreie „Hü Hott“ und im selben Moment grinst mich nicht mehr bloß der Pferdekopf, sondern auch der Kindskopf an. Ich fühle mich schwer e los, völlig losgelöst von der Erde, hallt es in meinem Kopf. Mein Körper und mein Geist wippen mit dem Schaukelpferd mit. Vor und zurück. Niemals ohne B e wegung. Ich höre rot und sehe ein stumpfes Dröhnen . Verkehrte Welt. Mir wird schlecht. Ich will kotzen. Aber es geht weiter wie auf einem Ringelspiel. Ich sehe große Plastikwörter, Plastikbuchst a ben und Plastiksätze versetzt sich um die eigene Achse drehend in der Luft herumschwi r ren. „Ich hab dich lieb“, „Gut Nacht“, „Du musst lieb sein“  und „Einsamkeit“ kann ich als erstes erkennen. Mir wird schwindlig , und das ganze Zimmer von Frau Schönthaler wird zu einer riesengroßen Bananenschac h tel. Frederick scheint in Schlangenlinien auf allen vieren durch den Raum zu kriechen. Er pfeift „Hän s chen klein“ dabei. Es klingt wie das Pfeifen von Roger Whittaker. Makellos und nervig. Und er ist nackt, und er fühlt sich wohl dabei. Ich hingegen will raus aus der Schachtel, raus aus der Erinnerung, raus aus Frau Schönthalers Wohnung. Ich denke an die vielen Träume, in denen ich aufwache und gegen meine Bettdecke kämpfe. Weil sie mich einschließt und damit vom Leben ausschließt. Ich schlage hektisch um mich herum und versuche die Decke von mir zu werfen. Aber je mehr ich he r umschlage, desto aussichtsloser bin ich gefangen. Ich wickle mich selbst ein und ziehe fest zu. G e nauso wie eine Boa mit ihrem Opfer verfährt. Nur ungeduldiger und lächerl i cher.  
    „Ist dir nicht gut?“, fragt Frederick?
    „Geht schon“, antworte ich, „ich hab wohl zu viel g e trunken gestern.“
    Als Frederick und ich die

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