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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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Piloten. Weil ich ihn beneide. Ich will auch euren Applaus. Ich bin euer König. Warum sieht denn das keiner?
    Sorgfältig überprüfe ich meine Wunden und bin ber u higt, diese auffällig und scheinbar nur langsam heilend vorzufinden. Ich trage trotz des mäßig warmen Wetters ein T-Shirt, damit alle sehen wie tapfer ich bin. Wenn sich nun auch Frederick irgendwo anders in der Welt als am Flughafen Wien befi n den sollte, dann steht – sechs Tage vor meinem Ende – möglicherweise einem guten Tag kaum was im Wege.
    Frederick ist wie erhofft nicht am Flughafen. Und auch sonst ist niemand da, der mich erwartet, der sich freut, dass ich zurückgekehrt bin. Alle warten auf jemanden. Auf mich wa r tet niemand. Na gut, ich war nicht einmal 24 Stunden weg. Aber wird mich dann irgendjemand vermissen, wenn ich gar nicht mehr zurückkehre? Ziemlich sicher nicht. Darum habe ich ja hier nichts mehr ve r loren. Bin so gut wie tot. O h ja. Das war eine richtige En t scheidung. Diesmal war sie richtig.
    Ich finde Geschichten von echter Liebe, die ich in Zeitu n gen lese oder im Internet finde, so rührend. Wenn ein Vater den Mord an seinem Sohn nicht hinnehmen kann und hunderte Male den Mörder besucht, um ein bis s chen zu verstehen , was nicht zu verstehen ist. Wenn ein Ehemann seiner Frau, die stirbt, ein sieben Seiten langes Gedicht schreibt. Eine Zeile schöner als die andere, aus jedem Wort liest man die Liebe. Wenn Eltern ihrem toten Kind eine Homepage basteln mit vielen netten Bi l dern und passenden traurigen Worten. Selbst Kinder, die noch im Mutterleib gestorben sind oder nur wenige Tagen lebten, werden nicht vergessen. Man schickt Luf t ballone zum Abschied Richtung Himmel mit berührenden Briefen. Und ich? Gehe alleine durch die Ankunft s halle, gehe  alleine zum Parkplatz. Ich wünschte, mein Auto könnte reden, selbst wenn ich es K.I.T.T. nennen würde, wäre das besser als es jetzt ist. Ich wünschte, ich hätte zumindest noch ein Hau s tier. Ungerechte Welt. Scheiß Menschen ihr. Das ist nicht meine Welt. Das ist eure Welt. Und ihr seid ignorant. Ihr denkt nur an euch. Es ist euch scheißegal, wie es mir geht. Fuck USA. Fuck U All.
    Ich fahre zurück Richtung Wohnung. Es regnet. Hatte der Wetterbericht einmal doch recht. Im Radio läuft Sting. Frauen, die Sting mögen, sind die schlimm s ten. Die glauben noch an das Gute. Robbie-Williams-Fans tun das nicht unb e dingt. Die sind schon abgeklärter. Außer sie stehen auf das kitschige „A n gels“.
    Parkplatz suchen ist diesmal leicht. Weil ich das Auto einfach vor die Tür hinstelle. Auch wenn das nicht ganz erlaubt ist. Eh alles egal. Sollen s ie mir halt einen Strafzettel geben. Der wird eh erst nach meinem Tod fällig . Und ich wollte nicht durch den Regen gehen. Das muss nicht sein.
    Ich überlege, ob ich in meine n Blog im Internet Fotos von mir stellen soll. Aber ich werde nicht gerne fotogr a fiert. Mein Lächeln funktioniert nicht, mein neutraler Blick wirkt böse und verärgert. Meine Zähne könnten strahlender sein. Mein Gesicht weniger zerknautscht .
    Die Seite www.erinnerung-an-mich.at ist noch zu haben, das weiß ich, vielleicht kaufe ich sie mir für mich. Als Abschiedsgeschenk. D ass ich im Internet noch weiter lebe, damit mich der Server nicht vergisst. Damit ein Teil von mir unsterblich bleibt. Zumindest theoretisch unve r gessen.
    In einer motivierteren Phase meines Lebens habe ich kurz einmal überlegt, Internet-Unternehmer zu werden. www.wirvermissendich.at hätte ich meine Seite genannt und alle, die den Tod von jema n dem anzeigen beziehungsweise kondolieren wollten, hätten sich dort verewigen können. Mit Werbung für Taschentücher oder Bücher wäre das G anze sicher ein gutes Geschäft gewo r den. Aber dann hatte ich zu wenig Tatendrang und füllte meine Zeit mit Therapien und Autofahren. Und Internet. Bilder Videos, Blogs. Pitpuff69. Und jetzt, sechs Tage vor meinem Tod, brauche ich mir zum Glück keine Gedanken über Geschäfte zu machen. Aber so langsam sollte ich beginnen zu überlegen, wie ich sterben möchte.
    Das Liebste, das ich noch habe, ist mein Auto, denke ich. Soll ich mit ihm zusammen in den Tod? Soll ich das Auto jema n dem vererben? Und wenn ja, wem? Frederick? Er mag es. Wenn nicht mit dem Auto sterben? Mit was dann? Was mag ich noch? Ich mag sehr gerne manche meiner Erinnerungen. Aber daran kann man nicht erst i cken. Leider. Kacke.
    Der verfluchte Lift ist kaputt. Lektion eins über das L e ben: Es ist immer

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