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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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glaube, es war nicht einmal ein Sonderang e bot von Frigo. Also echte mütterliche Wertschätzung.
    Vor einiger Zeit habe ich dann wirklich mit dem Laufen begonnen. Da hatte ich ein seltenes Motivat i ons-Hoch. Zuerst ging ich einkaufen: Dank des vorhandenen Jogginganzuges fehlten lediglich Laufschuhe und ein I-Pod samt Oberarmbefestigungsvorrichtung zur Vollkommenheit meiner Ausrüstung. Ich sehe damit sehr gut aus. Sehr männlich und spor t lich. Sehr sexy. Sehr super. Sehr Arschloch.
    Ich fahr e mit dem Lift nach unten. Ich mache die ersten Schritte, renne davon, als könnte man vor sich selbst flüchten. Viel zu schnell, viel zu große Schritte. Als ich nach ein paar hundert Metern Laufen entlang des Meeres auf den harten B e tonboden stürze, höre ich gerade „Across the universe“ von den Beatles. Vielleicht war es die Passage „Nothing´s gonna change my world“, die mich zu B o den brachte. Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber das bin ich ohnehin nie. Ich wusste gar nicht, dass man beim Joggen stürzen kann. Ich dachte immer, nur Motorrad- und Radfahrer würden stürzen. Und Flugzeuge. Zu Boden. Irgendwie ungewohnt, dass es einen ohne A l kohol taumelt.
    Ich liege nach dem Sturz nur ein paar hundert Meter vom olympischen Feuer entfernt am Beton. Und am Bauch. Ich liege allerdings nicht lange, denn natürlich tue ich so, als wäre so ein Sturz beim Laufen alltäglich und nicht weiter erwä h nenswert. Ich stehe also auf und laufe sofort weiter. Smart lächelnd. Alles andere ist schließlich nebensächlich. Hat mich eh keiner wahrg e nommen ! Da ich kein Kind mehr bin, weine ich auch nicht. Es ist ohnehin niemand in Sicht, der mir Trost spenden könnte. Außerdem spreche ich nicht griechisch. Als ich an der Stelle vorbeikomme an der bis vor kurzem noch stolz und aufrecht das Feuer der kommenden olympischen Spiele loderte, sehe ich, dass das Feuer weg ist. Wie schnell und vergänglich diese Welt doch ist.
    Es ist ein weiter und beschwerlicher Weg für das olymp i sche Feuer nach Peking. Und es ist ein weiter und b e schwerlicher Weg für die Menschen zum Tod.
    Ich trabe schnaufend an einem furchtbaren Denkmal vorbei, das Alexander den Großen darzustellen scheint. Hat nichts mit Peter Alexander und seinen Sorgen zu tun. Ich, der Laufheld, blute an der linken Hand, am rechten Knie und besonders stark am rechten Ellenbogen. Meine Ellenbogen sind ohnehin von einer hässlichen Psoriasis lädiert. Jetzt treffen sich endlich psych i scher und physischer Schmerz. Perfekt.
    Alexander den Großen wird mein triviales Blut nicht we i ter irritieren. Wie erwartet reagiert er auch nicht. Auch mich irritiert das Blut nicht weiter. Mein Blut in archa i sche Erde geschrieben. Das hat ein ganz klein wenig vom Glanz Alexa n der des Großen.
    Alexander ist 323 v.Chr. übrigens an seinen Verletzungen und zu viel Konsum von Wein gestorben, erzählt man sich im Internet. Das gefällt mir. Ich laufe weiter, am weißen Turm vo r bei, ebenso an Blumenkörben mit der Aufschrift „Fuck USA“, an alten, übergewichtigen, ebenfalls laufenden, alle r dings nicht wie ich so jämmerlich gestrauchelten Griechen. Dann tauche ich unter kreischenden, früher für mich lachenden Möwen am Himmel durch bis ich zu einem aus vielen metallenen Sonne n schirmen gefertigten Kunstwerk komme. Hier fühle ich mich sicher. Schirme schirmen einfach gut ab. Unter einem Schirm ist alles leichter zu bewältigen, weil man immer nur einen Teil sieht. Nie das Ganze und somit nie die ganze Fülle aller Möglichkeiten, Gefahren und Stimmungen, die uns unau f hörlich umkreisen. Man sieht eine kleinere Welt. Eine einfachere Welt. Eine sichere Welt.
    Beim Begräbnis meiner Großmutter hat es glücklicherweise geregnet. Somit konnte ich einen Rege n schirm zum Einsatz bringen. Um mich vor Trauer, Einsamkeit, Schmerz, Angst, den heulenden Gesichtern der Verwandten und vor größte n teils unaufrichtiger, ritueller Theatralik abzuschirmen. Eine Nachbarin hat die kleine Schaufel, mit der man den Toten Erde ins Jenseits nac h wirft, mit ins Grab geworfen. Die blöde Alte hat darau f hin laut aufgeschrien, als wäre ein Teil von ihr selbst mit ins Grab gesprungen. Ich schreie nie. Außer mit verfluchten Fernsehern. Oder in den Spiegel. In anderen Lä n dern wirft man die Erde mit der Hand nach. 
    Zurück im Hotel dusche ich mich und beschaue meine Wu n den. Es ist sehr praktisch, wenn die Welt gleich auf einen Blick sehen kann, dass mit einem nicht alles in Ordnung

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