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Gehoere ich halt nicht dazu

Gehoere ich halt nicht dazu

Titel: Gehoere ich halt nicht dazu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Angerer , Miriam Koch
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Ex-Wohnung von Frau Schö n thaler verlassen, werfe ich einen Blick zurück in Richtung Sofa. Das Schaukelpferd bewegt sich nicht und die Katze hat eine Maus im Maul. Wah r scheinlich bin ich bloß verrückt. Das beruhigt mich ein wenig. Therapie zahlt sich jetzt wohl auch ke i ne mehr aus.
    Frederick begleitet mich noch bis zu meiner Wohnung.
     
    „Du siehst beschissen aus“, sagt er.
    „Danke“, sag ich.
    „Ich kann es auch nicht glauben, dass sie gestorben ist“, meint er.
    „Ich werde auch sterben“, sage ich.
    „Ja, das werden wir alle“, meint er. „Und doch ist es kein Trost, hab ich nicht recht?“
    Und ich sage nichts mehr, weil er mich sowieso nicht ve r steht.
    In der Wohnung checke ich meine Mails, aber es ist nichts Wic h tiges, nichts Interessantes dabei. Ich schaue nach, ob pitpuff69 online ist, um ihm ein bisschen zu erzählen, was ich so denke. Aber er ist nicht da. Und so lege ich mich mitten am Nachmittag wieder einmal ins Bett. Und wieder einmal schlafe ich schlecht.
    Als ich aufwache, ist es schon dunkel. Ich ärgere mich über mich selbst. Da habe ich nur mehr so wenig Zeit zu leben , und dann bin ich so wie ich immer war. Und verschlafe die ve r bleibende Lebenszeit. Mir fallen blöde Sprüche ein. „Man soll dem Leben nicht Stunden, sondern den Stunden Leben g e ben.“ Und ich? Ich schlage meine Stunden, mein Leben tot.
    Dann fällt mir ein, dass ich mich noch gar nicht so richtig mit den zwei Kernfragen beschäftigt habe. Erstens: Wie soll ich sterben? Und zweitens: Was sollte ich davor noch alles erl e digen?
    Nachdem ich keine Lust habe, Leute zu sehen, Menschen zu treffen, die fad oder fröhlich Bier tri n ken, setze ich mich wieder einmal mit einem Glas billigen Wein vor den Computer und beginne me i ne Liste zu machen.
    „Wie soll ich sterben?“, schreibe ich in ein neues Word-Dokument.
    Autounfall fällt mir als erstes ein. (Aber es ist halt schade um mein Auto.)
    Vom Donauturm springen. (Was mir allerdings schon in der Vorstellung Angst macht.) Außerdem ist das echt nicht neu.
    Tabletten nehmen. (Das klingt am ungefährlichsten.) Aber ist das nicht einfallslos?
    Fön in die Badewanne werfen. (Und was, wenn das nicht funktioniert?) Und wie fühlt sich das übe r haupt an?
    Ich surfe im Internet. Die Seite www.selbstmord.co.at ist b e reits vergeben. Aber dort darf nicht über Selbstmordmeth o den debattiert werden. Insofern hilft sie mir nicht weiter. Und es steht dort, dass auf einen geglückten Selbstmord minde s tens zehn Selbstmordversuche kommen. Das deprimiert mich. Ich habe noch nie versucht, mich umzubringen, und ich will es auch nur ei n mal versuchen. Ich will mich nicht zehn Mal von der Welt umsonst verabschieden. Das würde mich umbringen und d e primieren, wenn nicht einmal das Sterben klappt. www.selbstmord.de schaue ich mir gar nicht an, denn diese Seite ist unter dem Motto „Selbstmord ist keine Lösung“. Von der gleichen Sorte ist www.suicide.com. Was seid ihr doch alle für feige Schwänze.
    Ich beschließe, das „Wie sterben“-Dokument ein and e res Mal weiter zu schreiben und widme mich der Liste mit den Dingen, die noch zu erledigen wären. Aber di e ses Dokument bleibt ganz leer. Es gibt keinen Ort, den ich unbedingt noch besuchen muss. Mir fällt kein Mensch ein, den ich noch sehen möchte. Die Schlange würde ich gerne noch einmal streicheln, aber erstens ist sie schon tot und zweitens ist das auch kein Muss. Kurz überlege ich, bereits jetzt das Leben zu beenden. Beim Aufh ö ren mit dem Rauchen habe ich das immerhin auch so ähnlich gemacht. Hat sich also bewährt. Aber ang e fangen habe ich trotzdem im mer wieder. Und nachdem mir das „Wie“ fehlt, ich nicht weiß, wie ich sterben soll, will, kann, lebe ich halt mal weiter und mach, was ich am besten kann. Im Bett liegen. Ich versuche zu schlafen. Das Leben ist dra u ßen. Vor der Tür.

Noch fünf Tage, Donnerstag
 
    Um 7 Uhr werde ich von einem bescheuerten Müllwagen, der Glas einsammelt, geweckt. Ich bin nicht wirklich böse, es ist mir egal. Mein Schlaf ist nicht heilig. Die Sonne scheint. Ich denke an Griechenland und die Rückkehr, an den gestrigen, dunklen Tag, an Frau Schönth a ler. Ich beschaue meine Lauf-w unden, die fast schon verheilt sind. Dann meldet mein Bauch, dass er gestern vernachlässigt wurde. Im Kühlschrank finden sich Wein, Bier, Butter und Kartoffeln, abgelaufenes Puten-Geschnetzeltes, also wenig, das für ein Frühstück taugt. Selbst das deprimiert mich

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