Geht das denn schon wieder los?
in die Berge. Nein, es sind nicht die Alpen, auch der Schwarzwald ist höher und die Rhön, nur wenn man wie ich auf dem flachen Land wohnt, dann erscheinen einem ein paar Kilometer Steigung schon richtig alpin.
Hannes war in seinem Element! Eine Kurve nach der anderen, mal sanft geschwungen, mal Haarnadel, zwischendurch die üblichen Missfallensäußerungen, wenn der Wagen vor ihm bremste, statt zu beschleunigen (»Junge, das Gaspedal ist das Lange ganz rechts außen!«), und schließlich Stefanies wohlwollende Anerkennung: »Na, nun fühlst du dich doch wieder wie in alten Zeiten, oder nicht?«
»Bloß wegen der paar Kurven und weil ich ein bisschen schneller bin als die anderen? Das ist doch bei diesen Sonntagsfahrern kein Kunststück. Wenn ich könnte, wie ich wollte … geht aber nicht, wenn man hinten drin seine Schwiegermutter sitzen hat!«
Frei übersetzt bedeutete das: Natürlich würden wir pünktlich ankommen, wenn ich ein bisschen mehr Gas geben und die Kurven richtig sportlich nehmen dürfte, aber auf dem Rücksitz habe ich jemanden, der mir garantiert nach längstens zwei Kilometern auf die Polster reihert!
Hatte er nicht gesagt, doch gedacht, dessen war ich mir sicher! Schlecht wird mir aber nur auf einer Achterbahn, wenn es mit Karacho in die Tiefe geht; Kurven fahren stört mich nicht. Also erteilte die Schwiegermutter dem Schwiegersohn Carte blanche, was ihm eine gewisse Hochachtung abnötigte, und dann waren wir tatsächlich noch sieben Minuten früher vor dem Hotel als unbedingt nötig. Und das nur, um zu erfahren, dass uns der Shuttle-Bus Punkt sechzehn Uhr abholen würde. Steffi hatte sich um eine Stunde in der Zeit geirrt!
Wir bezogen unsere Zimmer – meins lag genau gegenüber der Kirche, also würde ich morgen früh bestimmt keinen Wecker brauchen, es würde nämlich Sonntag sein – und fanden uns wenig später in der rustikalen Gaststube wieder zusammen. Nebenan im Festsaal tafelte eine Hochzeitsgesellschaft. Sie war allerdings schon bei Kaffee und Kuchen angekommen, was Hannes daran erinnerte, dass er heute nicht mal ein Mittagessen gekriegt hatte. Mein Angebot, etwas vorzubereiten, hatte Steffi abgelehnt mit dem Hinweis, wir würden ja nach der Weinprobe ein richtiges Abendessen bekommen.
»Ist das nicht ein bisschen spät?«, hatte ich gefragt eingedenk der Tatsache, dass sie früher ausgesprochen grantig werden konnte, wenn sie nicht regelmäßig gefüttert wurde. Aber auch das liegt Jahre zurück; jetzt muss sie selber kochen und hält es vermutlich schon deshalb relativ lange ohne Essen aus. Allerdings sollte sie trotzdem die regulären Zeiten berücksichtigen, sonst wird ein anderer grantig!
»Kennen wir uns nicht? Sie warten doch sicher auch auf den Shuttle-Bus. Dann darf ich mich wohl zu Ihnen setzen?!«
Unserem Tisch näherte sich eine Mittvierzigerin, nickte freundlich in die Runde und gestattete Hannes, sitzen zu bleiben, obwohl der gar nicht hatte aufstehen wollen. Ich ahnte sofort, wer diese Dame war, denn Steffi hatte sie schon ein paarmal als »diese aufgerüschte Tante« erwähnt, »die am verkehrten Ort nach einem Ehemann sucht.« Es konnte sich also nur um Frau Dr. Dr. Herrlich handeln, ihres Zeichens Wirtschaftswissenschaftlerin, was immer man darunter zu verstehen hat, und offensichtlich gewillt, sich uns anzuschließen. Zumindest so lange, bis sich vielleicht noch etwas Besseres finden würde.
Nachdem Hannes eingesehen hatte, dass wir die Doppel-Doktorin vorläufig nicht loswerden würden, sah er sich gezwungen, uns miteinander bekannt zu machen. Wir reichten uns die Hand, was etwas schwierig war, weil Stefanie dazwischen saß, und dann war der Förmlichkeit Genüge getan.
Eine halbe Stunde kann sehr lang sein, wenn jeder vor seiner Kaffeetasse sitzt, immer abwechselnd auf die Uhr guckt, übers Wetter spricht oder über den zunehmenden Autoverkehr – Frau Herrlich hatte sich auch über die A 81 quälen müssen, allerdings in der entgegengesetzten Richtung – und sehnsüchtig darauf wartet, dass endlich etwas geschieht.
Doch dann geschah wirklich etwas: Das Brautpaar tanzte den Brautwalzer, und Frau Herrlich erzählte von der Hochzeit ihrer Schwester, bei der sie selber Brautjungfer gewesen war, und zwar in pfirsichfarbenem Tüll. Aber auch das musste schon eine ganze Weile her sein; jedenfalls hatte ich Schwierigkeiten, mir diese gelockte Blondine in einer blassen Tüllwolke vorzustellen, doch vielleicht war sie damals dunkelhaarig gewesen. Meine
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