Geht das denn schon wieder los?
Töchter sind inzwischen ja auch alle erblondet.
Endlich kam unser Fahrer, alt genug für den Führerschein, zu jung für die entsprechende Fahrpraxis, verfrachtete uns in einen Kleinbus und lud uns zehn Minuten später unversehrt vor einem beeindruckenden Schlossportal wieder aus. Wir waren am Ziel. Und wir waren die Letzten!
Zwei Dutzend Augenpaare sahen uns vorwurfsvoll entgegen. »Als ob wir was dafür können!«, murmelte Stefanie. »Die kampieren doch alle in den hiesigen Hotels und brauchen keinen Zubringerdienst.«
»Und weshalb übernachten wir woanders?«
»Das kannst du mich ja heute Nacht noch mal fragen!«
Man hatte Stehtische aufgebaut, Sektgläser bereitgestellt, und nachdem wir nun alle vollzählig waren, wurden wir von einem Herrn in Schwarz offiziell begrüßt und die neu Hinzugekommenen – außer uns waren es noch zwei Paare – ganz besonders herzlich. Dann tranken wir ein Glas Sekt, manche auch zwei, und danach erfuhren wir, dass zunächst eine Besichtigung der fürstlichen Gartenanlagen vorgesehen war. Die hatte man nämlich teilweise neu angelegt, weil im letzten Winter doch viele Pflanzen erfroren waren, besonders auf der Nordseite, und wegen der kalten Nächte habe man nun …
Wir hatten zwar nur sechzehn Grad, allerdings über null, und irgendwie sah ich keinen Grund, jetzt die Nordseite mit den neuen Anpflanzungen zu begucken.
Ohnehin schwappten die einzelnen Erläuterungen an mir vorbei. Für mich ist ein Garten nämlich etwas, das an die Terrasse hinterm Haus grenzt und in der Mitte eine Wiese hat, weil sich der ehemalige Rasen im Laufe der Jahre durchsetzt hat mit Gänseblümchen, Löwenzahn, wilden Erdbeeren und anderen Gewächsen, die alle einen langen lateinischen Namen haben, aber im Grunde genommen nichts anderes sind als Unkraut.
Diese Wiese wird meist begrenzt durch eine Hecke, und da wiederum ist Buchsbaum sehr beliebt, aber auch Liguster oder Thuja. Bei uns ist es Liguster, seinerzeit noch von der Baufirma gesetzt und dank Svens fachmännischer Betreuung inzwischen mehr breit als hoch.
Wenn der Garten groß genug ist, stehen noch ein paar Büsche drin, Forsythien oder Flieder, vielleicht auch noch ein Obstbaum, und irgendwo in Terrassennähe wachsen die Küchenkräuter. Wenn man Glück hat und noch vor den Schnecken da ist, hat man sogar selber was davon.
Natürlich gibt es auch Nutzgärten, wo die Tomatenstauden in Reih und Glied stehen, die zwanzig Salatköpfe zur selben Zeit erntereif sind und zur Hälfte verschenkt werden müssen, wo die Kohlrabiknollen fast jedes Jahr holzig werden und die Karotten viel zu klein bleiben. Im Gegensatz zu früher, wo ich jahrelang als Außenseiter galt, weil ich mich lieber in die Sonne gelegt hatte statt – wie meine Nachbarn – zwischen den Erdbeeren herumzukriechen und Unkraut zu ziehen, wird bei ihnen jetzt auch kein Ackerbau mehr betrieben. Dafür knattern an jedem Wochenende die Rasenmäher, und beim abendlichen Bewässern der Blumenbeete, -kästen, -töpfe und -ampeln werden Ableger von winterfestem Hibiskus übern Zaun weitergegeben, Ratschläge zur Bekämpfung der Blattläuse oder ein hundertprozentig wirksames Mittel zur Reinigung von Terrassenfliesen.
Und nun sollte ausgerechnet ich einen einskommaundsoundsoviel Quadratkilometer großen Schlossgarten durchwandern, der von richtigen Gärtnern betreut wird, und in dem mit Sicherheit lauter Gewächse standen, die viel zu teuer waren und bei mir ohnehin eine nur geringe Überlebenschance hätten. Schnittblumen in der Vase halten sich ja ziemlich lange, Blumen in der Erde dagegen äußerst selten!
»Müssen wir da mitziehen?« Ich deutete auf die Truppe, die sich jetzt langsam in Bewegung gesetzt hatte, denn Stefanie war mit den hier üblichen Präliminarien einer Weinprobe besser vertraut als ich.
»Natürlich
müssen
wir nicht, aber was willst du denn sonst machen? Hier stehen bleiben? Der Sekt ist sowieso alle.«
Auch wieder wahr.
Also trotteten wir als Letzte hinterher und ließen uns von der promovierten Gartenarchitektin Claudia – sie hatte sich offenbar erst nach dem Sekt einfinden dürfen – ausführlich erklären, wie das vor zweihundert Jahren in fürstlichen Gärten mit der Längsachse und der Querachse gehalten wurde und warum man die vergammelten Statuen nicht mal gründlich abschrubben darf, damit sie wieder ansehnlicher werden. Das geht nämlich nicht wegen der Porosität vom Sandstein.
Wieder was gelernt. Aber bei uns stehen sowieso keine
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