Geht das denn schon wieder los?
dieses Wein-Event allerdings nicht zu stehen. Es hatte damit angefangen, dass bereits am frühen Morgen die ersten Staumeldungen durchs Radio kamen, obwohl doch Samstag war und ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung noch beim Frühstück sitzen würde – eben,
weil
Samstag war. Der bedauernswertere andere Teil musste sich allerdings schon bei der Arbeit befinden. Es stand kein verlängertes Wochenende bevor, kein Feiertag und kein saisonbedingter Schlussverkauf von irgendwas. Nicht mal das Wetter reizte zu Ausflügen, für Juni war’s entschieden zu kalt. Also weshalb um alles in der Welt staute sich schon wieder der Verkehr?
Wenn es Staus gibt, dann ist unsere A 6 immer vorne dabei, also wunderte es mich gar nicht, dass meine zwei Abholer mit halbstündiger Verspätung eintrafen. Und dann scheuchte mich Steffi sofort zurück in mein Zimmer, weil ich angeblich »overdressed« war. Im Klartext hieß das allerdings: Was du anhast, gefällt mir nicht!
»Seinerzeit hast du mir erzählt, du hättest deinen dunkelblauen Hosenanzug getragen und Hannes …«
»Das war vor zwei Jahren! Da hat dieser Auftrieb noch im Lustschlösschen stattgefunden, irgendwo im Wald bei den Wildschweinen, und Durchlaucht hatten sich sogar die Ehre gegeben, mit uns anzustoßen, aber schon im vergangenen Jahr hat man uns in die Katakomben geschickt. Macht aber nichts, da ist es sowieso viel uriger.«
»Wieso Wildschweine?«, wollte ich wissen, während ich mich wieder auszog. »Befanden sich Ihro Gnaden gerade auf der Jagd?«
»Blödsinn! So groß ist der Wald nun auch wieder nicht. Und überhaupt sind die Schweine in einem Gehege. Wir wollten doch damals den Weg runter zur Straße abkürzen, und als Hannes über das Gatter stieg, weil er dachte, dahinter geht der Weg weiter, wurde er plötzlich angegrunzt. Du glaubst gar nicht, wie schnell er wieder übern Zaun gehechtet ist«, meinte sie kichernd.
»Und das Gehege habt ihr vorher nicht gesehen?«
»Määm, selbst im Sommer ist es eine halbe Stunde vor Mitternacht stockdunkel, besonders in einem Wald. Und wenn man gerade eine mehrstündige Weinprobe hinter sich hat …«
»Alles klar! – Darf ich zu den Jeans wenigstens eine Bluse anziehen?«
»Aber nimm eine mit langen Ärmeln! Draußen ist zwar Juni, das hat sich bloß noch nicht bei den Thermometern herumgesprochen! Und in den Kellern ist es auch nicht gerade warm.«
Während ich unter Steffis kritischen Blicken Seide gegen Baumwolle tauschte und sogar ein Paar Slipper fand, die sowohl den Vorstellungen meiner Tochter entsprachen als auch den Bodenbeschaffenheiten eines Kellergewölbes, klärte mich Steffi über weitere Einzelheiten auf.
»Die Beleuchtung in den Gängen ist offenbar den Farben der jeweiligen Weine angepasst; vorne, wo die Weißen liegen, ist es noch relativ hell, weiter hinten wird’s dann immer dunkler, und bei den schweren Rotweinen brennen fast nur noch Kerzen.
Ist auch besser so, manche Teilnehmer sehen zu diesem Zeitpunkt schon etwas mitgenommen aus. – Bist du endlich fertig?«
In der Essdiele saß Hannes, blätterte die Reklamezeitungen durch, mit denen man gerade an Wochenenden so überaus reichlich bedacht wird, und deutete vorwurfsvoll auf seine Uhr. »Die haben eben im Radio gesagt, dass es auf der A 81 gescheppert hat, der Rückstau ist schon drei Kilometer lang. Also müssen wir über die Dörfer. Ich bezweifle nur, dass wir pünktlich sein werden. Wieso können Frauen eigentlich nie rechtzeitig fertig sein?«
Eine passende Antwort lag mir zwar auf der Zunge, doch ich schwieg lieber, denn die nächsten anderthalb Stunden würde es keine Fluchtmöglichkeit für mich geben.
Vielleicht sollte ich bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass mein Schwiegersohn mal Rallyefahrer war – allerdings während seiner Sturm-und-Drang-Zeit. Es liegt also schon etliche Jahre zurück, Erster ist er auch nie geworden, aber ein paarmal Vierter. Nur für den Lorbeerkranz und einen Pokal hat’s nie gereicht. »Hab ich auch gar nicht haben wollen«, pflegt er an dieser Stelle zu behaupten, »die Dinger sind meistens groß und hässlich, brauchen zu viel Platz und laufen an, wenn sie nicht regelmäßig geputzt werden!«
Heckklappe auf, Koffer rein, Klappe zu, Klappe noch mal auf, weil Jacke und Kosmetikbox auf dem Esszimmertisch vergessen, Klappe zu, alles einsteigen und ab.
Eine Zeit lang fuhren wir noch über große breite Straßen mit großen breiten Lastwagen vor uns, doch dann ging es seitwärts ab
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