Geht das denn schon wieder los?
Dabei hatte ich sie doch noch fragen wollen, welche Garderobe denn für solch ein Event (das heißt jetzt so, seitdem man nicht mehr »Veranstaltung« sagt!) angemessen sei. Aber das hatte wohl noch ein paar Tage Zeit.
Wichtiger wäre vermutlich erst einmal eine Bestandsaufnahme unseres Weinvorrats. Wenn ich schon vorhatte, Geld auszugeben, dann wenigstens für etwas, das nicht noch in ausreichender Menge vorhanden war. Doch das erschien mir zweifelhaft. Es stimmt nämlich nicht, dass Wein grundsätzlich an Wert gewinnt, wenn er lange liegt. Mancher ist dann gar nicht mehr trinkbar, macht er sich aber als »Jahrgangswein« immer noch sehr dekorativ in einem silbernen Körbchen auf oder neben dem Kamin, vorausgesetzt natürlich, das mindestens zwanzig Jahre zurückliegende Abfülldatum ist auf dem leicht verstaubten Etikett noch deutlich zu erkennen.
Einen Kamin haben wir nicht, und außerdem war ich mir sicher, dass es bei uns keine überlagerten Flaschen gab; im Sommer kriegen wir nämlich häufig Besuch von verschiedenen Freunden, die keine Terrasse haben, sondern nur eine Wohnung mit Balkon zur Straße hinaus!
Mit Block und Bleistift bewaffnet zog ich in den Keller. Dann musste ich noch mal nach oben und die Taschenlampe holen. Die aus Einzelstücken zusammengesetzte und vom Herrn des Hauses hochtrabend als Weinregal bezeichnete Holzkonstruktion steht nämlich in jener Ecke, die immer im Halbdunkel liegt. Aus unterschiedlichen Gründen ist Rolf aber noch nie dazu gekommen, eine hellere Glühbirne unter dieses halb verrostete Drahtgitter zu schrauben, und deshalb brauche ich immer eine Taschenlampe, wenn ich da unten etwas suche. Zwar liegt eine griffbereit im Regal, aber bei der ist inzwischen die Batterie alle. Könnte man ja auswechseln, doch da geht nur so eine altmodische Viereckige rein, und die kriege ich hier bei uns nicht.
Bekanntlich trinken Kenner Württemberger Weine, und wenn man die richtigen kauft, ist das auch nicht verkehrt. Das Problem beginnt ja immer erst dann, wenn man nicht die geringste Ahnung hat, was sich hinter so blumigen Beschreibungen wie
ein schönes Spiel zwischen leichter Frucht und belebender Fruchtsäure
verbirgt, oder wie ich den
mineralisch-würzigen Stil
zu verstehen habe, der
an grüne Paprika und leichte Pfeffernoten erinnert.
Als Laie glaubt man ja immer noch, dass Wein aus Trauben hergestellt wird und nicht aus Gemüse.
Nun werde ich öfter mal zu einer Lesung »in kleinem Kreis« eingeladen, der sich dann aber doch als relativ groß herausstellt, weil solch ein »Frauen-Frühstück« für die Teilnehmerinnen eine willkommene Gelegenheit ist, den morgendlichen Alltagstrott für ein paar Stunden zu unterbrechen. Leider wirken sich derartige Veranstaltungen nachteilig aus, wenn man gerade mal wieder Kalorien zählt; trotzdem kann ich solch ein Frauen-Frühstück nur empfehlen! Hinter den dort aufgebauten und ausnahmslos selbst hergestellten Schmankerln kann sich so manches Frühstücksbuffet von Dreisternehotels verstecken.
Auch wenn ich immer betone, dass ich bei derartigen Lesungen ein Honorar ablehne, denn ich werde doch bestens beköstigt, so bekomme ich hinterher meist einen wunderschönen Blumenstrauß und häufig auch noch eine Flasche Wein. Und dabei habe ich schon so manches Mal vermutet, die Flasche könne nur jemand in dem Glauben ausgesucht haben, Frauen seien grundsätzlich für Süßes empfänglich. Bin ich aber nicht! Ich hasse Zucker im Kaffee, Hochzeitstorte (andere meistens auch), Baiser, Likör – den ersten und einzigen habe ich auf meiner Konfirmation getrunken – und Wein, der als »lieblich« bezeichnet wird. Bei den italienischen Weinen heißt das
dolce,
schmeckt aber auch zum Abgewöhnen.
Von diesen »Statt Honorar«-Flaschen (wo, bitte sehr, liegt eigentlich das Affental?) hatten wir noch eine überschaubare Menge, von den edleren Tropfen dagegen so gut wie nichts mehr. Genau genommen war alles, was da unten seit mehr oder weniger langer Zeit vor sich hinstaubte, »Terrassen-Wein«, also nur an warmen Sommerabenden zu genießen, wenn man mit Nachbarn lange draußen sitzt und nach der vierten Flasche nicht mehr so genau mitkriegt,
was
man da eigentlich in sein Glas gießt.
Ich knipste die Taschenlampe aus und beschloss, sämtliche Weinsorten zu probieren, die man uns bei dieser Weinprobe anbieten würde, selbst auf die Gefahr hin, dass man mich danach in mein Hotelzimmer würde tragen müssen.
Unter einem besonders guten Stern schien
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