Geht das denn schon wieder los?
sich dieses Gebäude nicht mehr im Originalzustand von vor zweihundert Jahren befindet, das musste nämlich modernisiert werden wegen der Sicherheit und der Heizungen, die hatte es damals doch noch gar nicht in dieser Form gegeben!
Ach nein?
Die Fenster seien natürlich auch alle neu und die Rahmen, das hatte die Polizei so angeordnet, »aber die Toiletten wurden erst nachträglich für unsere Gäste eingebaut, denn wie Sie eben gesehen haben, wird die Orangerie häufig vermietet für …« (schlagartig hatten sich die Zuhörer um die Hälfte vermindert) »… Veranstaltungen wie Hochzeiten, Tagungen oder auch Ausstellungen.« Mit verständnisvollem Lächeln sah sie uns an. »Ich glaube, wir machen erst mal zehn Minuten Pause.«
Daraus wurde dann doch eine Viertelstunde, die zuerst Verschwundenen waren wieder da, schlenderten langsam weiter, und schließlich sammelten wir uns bei Merkur (oder war es Hermes?), um nun die Sache mit der Querachse genauer zu betrachten. Am Ende dieser Achse liegt übrigens das wunderschön renovierte und sehr geräumige Haus des ehemaligen Fürstlichen Gartenbaumeisters, woraus ersichtlich ist, welchen Stellenwert dieser Job vor zweihundert Jahren gehabt hatte. Der jetzige Obergärtner wohnt nämlich zwei Orte weiter, hat allerdings im Gegensatz zu seinem damaligen Vorgänger ein Auto, Ölheizung und vier Wochen Urlaub pro Jahr.
Wir näherten uns wieder dem Ausgangspunkt. Noch ein paar Schritte durch die Kastanienallee, soll sehr hübsch aussehen während der Blüte, nur die ist im Juni leider vorbei, ein letzter Blick auf etwas Steinernes mit Flügeln, vielleicht Amor, ich hatte nicht aufgepasst, Steffi aber auch nicht, dann befanden wir uns wieder dort, wo vor knapp anderthalb Stunden die Tische gestanden hatten. Jetzt stand nur der Herr in Schwarz dort, ich nenne ihn einfach mal Schmidt, obwohl er ganz anders heißt, aber man muss ja heutzutage vorsichtig sein wegen des Persönlichkeitsrechts. Das hat uns Frau Dr. Dr. Herrlich nämlich im späteren Verlauf des Abends ganz genau erklärt.
Herr Schmidt bedankte sich mit anerkennenden Worten bei Claudia, die hatte sie auch wirklich verdient, wir klatschten Zustimmung, und dann ging es ab in die Katakomben.
»Ich möchte Sie noch auf die neu eingebauten Toiletten hinweisen«, sagte Herr Schmidt und tat es, worauf sich nun auch diejenigen dorthin begaben, die bisher durchgehalten hatten – mich eingeschlossen.
Im ersten Keller war in Sichtweite zweier riesiger Fässer ein Imbiss aufgebaut worden, nette Häppchen mit irgendwas drauf (die Beleuchtung war etwas diffus), hübsch dekorierte Salate, deren Zusammensetzung sich auch nicht so ohne weiteres bestimmen ließ, die aber trotzdem ausgezeichnet schmeckten, zwei Suppen standen zur Auswahl (die späteren Meinungen tendierten von »Da war Spargel mit drin« über »Ich tippe auf Grünkern« bis zu »Ganz klar: Bärlauch«), und auf die besonders Hungrigen warteten schöne fettglänzende Würste.
»Die werfen meinen ganzen Diätplan über den Haufen!«, sagte Steffi und nahm sich eine. »Zu Hause würde ich die nie essen!«
Nun ist es nicht ganz einfach, mit einem beladenen Teller in jeder Hand einschließlich des Bestecks zwölf Stufen einer schon recht betagten Holztreppe emporzusteigen, und ganz besonders schwierig wird das bei Gegenverkehr. Trotzdem ist nur einmal ein ganzer Teller samt Inhalt runtergefallen, während Stefanie sich lediglich ein neues Würstchen holen musste.
Wir speisten in der Winzerstube, einem gemütlichen Raum mit viel Holz an den Wänden und zum Draufsitzen – sehr rustikal das Ganze, hatte aber Flair. Fenster gab es nur in Miniaturgröße, und in den Wandlampen steckten unter den dunkelroten Schirmen allenfalls vierziger Glühbirnen – nicht aus Geiz, sondern wegen der Atmosphäre. Dafür sorgten noch zusätzlich die Weinkaraffen auf jedem Tisch. Wasser gab’s auch, wollte kaum jemand. Höchstens zum Verdünnen. Wir tranken es pur. War auch besser so!
Frau Dr. Dr. Herrlich hatte sich wieder zu uns gesellt, dazu noch ein älteres Ehepaar im Trachtenlook, nämlich Herr und Frau Gschwandner (oder so ähnlich), geografisch nicht genau zu lokalisieren, ich hab den Ort zu Hause nicht mal im Postleitzahlenbuch gefunden. Etwas später kamen noch Herr Wernicke dazu und Frau Mueller, »ohne Tüttelchen, aber mit ue«! Richtig altmodische Müllers mit ü scheint es gar nicht mehr zu geben.
Herr Wernicke war Berliner, lebte jedoch »seit der Mauer« in
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