Geht das denn schon wieder los?
Großeltern oder – noch schlimmer – weil Tante Merle mit Kusine Lara kommt und die Mama gesagt hat, dass man zu Hause bleiben und mit ihr spielen muss. Weihnachten gilt nun mal als Fest der Familie, das ist schon immer so gewesen, und wer sich diesen Zeitpunkt als Geburtsdatum aussucht, ist selber schuld!
Seine Mutter sah die ganze Sache wesentlich pragmatischer.
»In den ersten Jahren kann
ich
mir den passenden Termin für die Party aussuchen und später er selber.«
Auch wieder wahr.
Den plausibelsten Vorteil für die so dicht aufeinander folgenden »Geschenktage« fand Tim an jenem Heiligen Abend heraus, als der Weihnachtsmann die ersehnte Lego-Tankstelle nun doch nicht gebracht hatte. »Was ich nicht zu Weihnachten gekriegt habe, kann ich mir ja zum Geburtstag gleich noch mal wünschen!«
Doch zunächst einmal brachte sein verfrühtes Erscheinen die ganze vorweihnachtliche Planung durcheinander. Übermorgen sollte ja der Düsseldorfer Teil unserer Sippe einreiten, bestehend aus Sascha, Gattin Nastassja sowie dem zweieinhalbjährigen Bastian und den beiden angeheirateten Enkelinnen Sunny und Michelle, sechzehn und dreizehn Jahre alt. Und Nicki mit ihrem noch von keinerlei Erfahrungen mit Teenagern getrübten Optimismus hatte sofort gesagt, die beiden Mädchen könnten doch bei ihnen im Gästezimmer schlafen. »Da oben unterm Dach stört sie niemand, und ein eigenes Bad haben sie auch.«
Das kam jetzt natürlich nicht mehr infrage! Teenager sind nun mal von Natur aus auf einen sehr hohen Lärmpegel programmiert, können keine Treppe leise betreten und keine Tür geräuschlos schließen, und wenn sie gleichzeitig reden, was sie meistens tun, dann übertreffen sie sogar eine Herde schnatternder Affen im Zoo. Und sehr viel anders hört es sich auch nicht an!
Junge Mütter brauchen aber Ruhe. Das behaupten auch die Nachbarn und stehen trotzdem gleich nach der Heimkehr von Mutter und Kind mit dem professionell verpackten Jäckchen/Strampler/Pullöverchen samt Glückwunschkarte vor der Tür (Standardfrage in einschlägigen Geschäften: »Soll es ein Geschenk werden?«) und wollen nur mal ganz kurz das Baby sehen. Schläft es, dann genügt ein einziger Blick zu der Feststellung: »Ha noi, des hat aber ein herzig’s Göschle« (oder etwas anderes Allgemeingültiges); sollte der neue Erdenbürger allerdings gerade schreien, dann beginnt die Ursachenforschung, und die gipfelt meist in der Erkenntnis, das Kind habe entweder Hunger oder Blähungen. Prompt folgen ein paar Ratschläge, was dafür beziehungsweise dagegen zu tun sei, aber dann wird der Besucherin das Gebrüll allmählich zu viel, hat sie ja lange genug selber im Haus gehabt, jetzt geht die Jüngste endlich in den Kindergarten, und mit einem »Ich muss aber widder in mei Kich!«, verschwindet die Nachbarin in ihr stilles Haus, wo auf dem Herd nur das überkochende Kartoffelwasser zischt.
Aber noch hatte Nicki ja eine wenn auch knapp bemessene Schonfrist. Im Gegensatz zu früher, als man sich mindestens eine Woche lang in der Klinik erholen und die Betreuung des Babys versierten Schwestern überlassen konnte, wird man heute schon nach längstens drei Tagen nach Hause geschickt und sehnt sich nach spätestens vier Tagen in die sterile Umgebung zurück, wo man den kleinen Schreihals nur zur Fütterungszeit angeliefert bekam und nachts noch durchschlafen konnte. Nicht mal
das
ist einem jetzt mehr vergönnt, seitdem beim
Rooming-in
das Baby in einem durchsichtigen Schneewittchensarg (ohne Deckel natürlich!) neben dem mütterlichen Bett steht und brüllt. Zu Hause tut es das zwar auch, aber wenigstens im eigenen Zimmer.
Sascha wurde also umgehend per Telefon von den sich vorzeitig veränderten Familienverhältnissen unterrichtet, und was fiel dem frisch gebackenen Onkel als Erstes ein? »Dann kriegt der arme Kerl ja ein Leben lang seine Geburtstagsgeschenke in übrig gebliebenes Weihnachtspapier gewickelt!«
Seinen Besuch wollte Sascha zunächst verschieben und dann doch nicht, weil nämlich die beiden Mädchen nun das tun konnten, was sie schon von vornherein viel lieber getan hätten: zu Hause bleiben beziehungsweise ein paar Tage lang zur jeweils besten Freundin ziehen. Angeheiratete Großeltern, die man gar nicht so richtig kennt, weil man sie zu selten sieht, haben nämlich einen anderen Status als »richtige« Omas und Opas, die im vorgegebenen Fall auch noch den Vorzug haben, irgendwo auf dem Land zu wohnen, wo es noch richtig ländlich ist mit
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