Geht's noch?
vollziehen, so sehr ihn sein Gewissen dabei auch plagen würde. Sollte Cassandra sich dann lieber verstärkt auf Harrison stützen, statt unabhängiger zu werden, so war dies allein ihre Entscheidung.
Roper würde nur auf seinen Prioritäten in einer Form bestehen müssen, die von seiner Familie nicht missverstanden oder falsch interpretiert werden konnte. Anschließend musste er seinen Worten Taten
folgen lassen. Er hoffte, dass seine Familie diese Pläne, wenn sie alles gehört und richtig verstanden hatte, auch gutheißen würden – vielleicht nicht jetzt sofort, aber irgendwann später einmal. In der Zwischenzeit würde er seine Sachen hübsch ordentlich auf die Reihe bekommen und dann Amy auffordern, sich genauso offen zu bekennen, wie er das getan hatte.
In einer idealen Welt würde es so funktionieren, dachte Roper. Er betrat das Apartment seiner Mutter und fand darin bereits die gesamte Familie versammelt. Dies war allerdings seine Welt, und in der war alles denkbar.
»Ich freue mich, dass es alle einrichten konnten«, sagte Roper.
»Ich hatte eher das Gefühl, dass es sich um eine dienstliche Einbestellung handelt«, bemerkte seine Mutter verstimmt.
Er lachte. »Ja, das stimmt. Wir sind alle hier zu deinen Diensten, Mom«, sagte er. »Das Essen sieht köstlich aus. Also, bedient euch.« Er dachte, sie sollten einen vollen Bauch haben, bevor sie hörten, was er zu sagen hatte.
Er entschied sich für eine mit Hühnchenfleisch gefüllte Teigtasche und eine Flasche Wasser und wollte sich eben neben Sabrina und Kevin setzen, als Ben seinen Arm ergriff. »Hast du einen Moment Zeit für deinen Bruder?«, fragte er.
»Klar.« Da Roper von heute an die völlige Kontrolle über seine Zeit haben würde, machte es ihm nichts
aus, jetzt mit Ben ein Gespräch zu führen. Er verkniff sich allerdings die Frage Was kann ich für dich tun? , denn er wusste, dass ihm die Antwort höchstwahrscheinlich nicht schmecken würde.
Sie gingen in die kleine Küche, wo sie ungestört waren. Ben zog eine Dose Cola aus dem Kühlschrank, öffnete sie und trank einen tiefen Schluck. Roper aß sein Mittagessen im Stehen und wartete darauf, dass sein Bruder den Anfang machen würde.
»Wie läuft die Reha?«, fragte Ben.
Roper wischte sich den Mund mit einer Papierserviette ab. »Wird schon«, erklärte er vorsichtig und bewusst vage.
Ihn schmerzte die Erkenntnis, dass die Zeiten vorbei waren, in denen er seinem Bruder in allen Dingen blind vertraut hatte – und dieser umgekehrt ebenso. Sicher, Roper wusste, dass Ben von einem Projekt ins nächste schlitterte und selten einer geregelten Arbeit nachging, aber einen echten Einblick in die Ursachen hierfür hatte er nicht. Parallel zu Ropers Aufstieg in den Kreis der besten Major-League-Spieler war die Kommunikation zwischen den Brüder langsam eingeschlafen.
»Pennst du noch immer bei Dave auf der Couch?«
Ben nickte. »Ist gar nicht mal so schlimm. Er hat einen 127er Flatscreen, auf dem wir alle Auswärtsspiele der Renegades sehen können und man das Gefühl hat, live dabei zu sein.«
»Offenbar ist er ein Fan«, sagte Roper.
»Langjähriger Saisonticketinhaber.«
Roper nickte. Der Small Talk brachte sie nicht weiter. »Was ist also los?«, fragte er seinen Bruder.
Ben trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. »Folgendes. Ich muss mit dir reden, und ich möchte nicht, dass du mich schon abblitzen lässt, bevor ich überhaupt ausgesprochen habe.«
Jetzt kommt’s, dachte Roper. »Okay, was hast du auf dem Herzen?«, fragte er und lauschte dann Bens Ausführungen über die für ein Fitnesscenter geradezu perfekte Lage in Soho und seine Hoffnung, das nötige Geld einbringen zu können, während Dave die Erfahrung beisteuerte, und dass sie gemeinsam dann einen einträglichen Laden hochziehen würden.
»Da gibt es nur ein Problem«, sagte Roper zu seinem Bruder.
»Und das wäre?«
»Dir fehlt das nötige Geld.« Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Ben die Wahrheit so drastisch vor Augen zu führen, wie er es bislang noch nie getan hatte. Er war heute hierher gekommen, um genau dies bei jedem Familienmitglied zu tun, und nun gab ihm Ben als Erster Gelegenheit dazu.
Ungläubig riss Ben seine Augen auf. »Aber du …«
»Ich habe es auch nicht, und bevor du jetzt widersprichst, du kannst gerne meinen Finanzberater anrufen, wenn du mir nicht glaubst. Alle freien Einkünfte beruhen derzeit auf Werbeeinnahmen und leistungsbezogenen Zuschlägen. Der Rest ist für die
Weitere Kostenlose Bücher