Geht's noch?
was man im Leben will, unbedingt zu erreichen suchen. Meiner Überzeugung nach sollte man aber auch die Risiken einzuschätzen wissen. Welchen Sinn macht es, mit jemandem eine Beziehung einzugehen, wenn es von vornherein zum Scheitern verurteilt ist? Oder wenn man glaubt, dass es das ist.«
Amy lief ein Schauer über die Arme. Sie hatte nichts zu diesem Ratschlag zu sagen und wollte im Moment auch nicht allzu intensiv darüber nachdenken. »Solange wir hier oben sind, ist es keine Sache, über die ich mir den Kopf zerbrechen muss.«
Hannah neigte ihren Kopf zur Seite. »Gutes Argument. Man sollte genießen, was man hat, solange man es hat.«
Amy lächelte. Sie hätte es nicht treffender formulieren können.
Sie würde sich darauf konzentrieren, das Hier und Jetzt in vollen Zügen zu genießen. Vorbei würde es sowieso schon schnell genug sein.
Der peinliche Moment am Morgen danach blieb aus. Amy und Roper fielen in den nächsten Tagen in einen festen Rhythmus, der mit dem gemeinsamen Aufwachen im selben Bett begann. Nach dem Frühstück ging jeder seiner Wege, wobei Roper trainierte und seine Reha-Maßnahmen absolvierte. Später trafen sie sich dann wieder für ein Quickie oder um ein wenig miteinander zu reden. Sie mochte diese Gespräche, die alle möglichen Themen von Politik über Sport bis hin zur Musik umfassten. Nie entstanden Pausen, die nicht bedeutungsvoll oder angenehm gewesen wären. Nie gab es Divergenzen zwischen ihnen, die nicht in einer raschen Diskussion hätten geklärt werden können.
Amy konnte es nicht glauben, dass dies ein Job war,
dass sie sogar noch dafür bezahlt wurde, sich um Roper zu kümmern. Wenn sie nach Hause zurückkehrten, würden die Dinge zwar nicht mehr einen so ruhigen und problemlosen Verlauf nehmen, aber einstweilen war das Leben schön.
Nach einigen Bahnen im Pool ging Amy auf ihr Zimmer zurück, duschte und zog sich um. Da Roper einen Termin beim Physiotherapeuten hatte, wusste sie, dass er eine Weile beschäftigt war und sie sich fürs Erste keine Gedanken um ihre nächste Begegnung machen musste.
Sie legte sich auf ihr Bett und rief sich die Bilder der vergangenen Nacht im detailliertesten Technicolor-Format in Erinnerung. Jedes zärtliche Streicheln, jede Liebkosung wurde in ihrem Kopf wieder durchgespielt, bis ihre Erregung ebenso groß wie in der Nacht war. Als ihr endlich bewusst wurde, dass schon eine Weile jemand klopfte, stand ihr ganzer Körper bereits in Flammen. Sie schwang die Beine über die Bettkante, stand auf und ging an die Tür.
Draußen stand ein Hotelangestellter, in dessen Händen sich die Einkaufstüten bündelten. »Die sind für Sie, Miss Stone.«
Sie zog fragend die Augenbrauen zusammen. »Sind Sie sicher? Ich habe nämlich nichts bestellt«, erwiderte sie verwirrt.
Der junge Mann nickte. »Ich bin mir sicher. Es liegt eine Karte für Sie dabei. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich die Sachen hereinbringe?«
»Natürlich nicht. Kommen Sie herein.« Sie zog die Tür weiter auf, sodass er eintreten und seine Tüten im Eingangsbereich des Zimmers abstellen konnte.
Sie gab ihm ein Trinkgeld und öffnete den Umschlag, den er ihr gegeben hatte, sobald er gegangen war. »Ich habe Dir einen Ausflug in den Schnee versprochen. Zieh Dich um, und wir treffen uns um zwölf in der Eingangshalle. John. «
Sie riss die Pakete auf und fand eine komplette Winterausrüstung mit Kleidungsstücken, die sie bislang noch nie einen Anlass gehabt hatte für sich zu kaufen. Eingehend bestaunte sie nacheinander die tollen Sachen: eine weiße, mit braunen Nähten abgesetzte Daunenjacke, dazu passende Schneehosen, eine Zipfelmütze, braune Handschuhe und Thermowäsche zum Unterziehen. Sie überprüfte die Größen und stellte verblüfft fest, dass Roper alles korrekt eingeschätzt hatte. Eine weitere Tüte enthielt fellgefütterte Schneestiefel und eine hochmoderne entspiegelte Sonnenbrille, die ihrem Etikett zufolge speziell für den Schutz in Schneegebieten geeignet war.
Eine erwartungsvolle Erregung erfasste sie und unwillkürlich musste sie an ihre Kindheit und die Weihnachtsmorgen damals denken, wenn sie all die verrückten und teuren Geschenke unter dem Baum hatte auspacken dürfen. Dank der Lebensversicherung ihres Vaters war ihre Mutter in der Lage gewesen, für alles Nötige zu sorgen, aber es war ihr Onkel Spencer gewesen, der stets dafür gesorgt hatte, dass sie noch
darüber hinaus verwöhnt wurde. Er sah in Amy die Tochter, die er nie besessen
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