Geht's noch?
Hannah sie nicht überraschte. Erfreut war sie darüber dennoch.
Sie hatte es vermisst, mit jemandem reden zu können. Jahrelang waren ihre Mutter und ihre Tante für
sie da gewesen, aber jetzt mit Hannah wurde Amy erst bewusst, wie sehr ihr die Gesellschaft einer Gleichaltrigen gefehlt hatte, einer besten Freundin.
»Ich weiß nicht nur, dass ich sie in den Griff bekommen muss, ich habe auch vor, schon bald etwas dafür zu tun. Mike wird mich zwar umbringen, aber ich habe vor, meine Mutter anzurufen und ihr zu sagen, wo wir uns aufhalten.« Hannah unterstrich ihre Entscheidung, indem sie ihre Kaffeetasse wie zu einem Toast hob.
Oh, whow. Das war ein gewaltiger Schritt. »Was genau willst du denn tun, wenn sie herkommt?«, fragte Amy.
»Ich werde meiner Mutter erklären, dass sie die Wahl hat. Entweder sie akzeptiert meine Beziehung zu Mike ohne jede Einmischung, oder sie verliert nicht nur ihre Rolle in meinem Leben, sondern auch ihren Job als Managerin.« Hannah setzte ihre Tasse ab und sah Amy in die Augen. Nicht ein Funken Unsicherheit lag in ihrem Blick.
»Du liebst ihn wirklich so sehr«, sagte Amy.
»Das tu ich. Man verbringt nicht so viel Zeit mit einem anderen Menschen, im Studio, auf Tournee, und lernt ihn nicht mit all seinen Stärken und Schwächen, einschließlich diverser Macken und Eigenarten kennen. Er ist es mir wert.« Sie nickte entschlossen.
»Mach das, Mädchen«, sagte Amy. Ihr war klar, was Hannah riskierte, und dennoch befürwortete sie es,
dass Hannah sich ihren größten Wunsch im Leben zu verwirklichen suchte.
Hannah schüttelte den Kopf und ihr langer Pferdeschwanz fiel ihr über die Schulter. »Tja, nun, genug von mir. Sobald meine Mutter ankommt, wird hier das reinste Chaos ausbrechen.«
»Wann wird das sein?«, fragte Amy.
»Ich brauche noch ein paar Tage, um diese Zeit mit Mike richtig zu genießen. Dann ruf ich Mama an und werde bestimmt sofort bei dir auf der Matte stehen und dich anflehen, mich vor ihr zu beschützen«, sagte Hannah halb im Scherz.
»Darf ich dir eine alberne Frage stellen?«
Hannah nickte. »Nur zu.«
»Mir ist eben aufgefallen, dass ich aufgrund meiner Kindheit und weil ich so lange in einer Seniorenanlage gewohnt habe, eigentlich nur wenige – na ja, sagen wir ganz ehrlich gar keine richtigen Freunde in meinem Alter habe, mit denen ich mich unterhalten könnte. Jetzt lerne ich zwar über die Arbeit Leute kennen, aber dir habe ich bereits mehr über mich verraten, als jedem von denen.« Sie kam sich töricht vor und blickte ihr Wasserglas an. »Aber wie steht’s mit dir? Hast du denn keine beste Freundin oder irgendjemanden, an den du dich wendest, wenn dich etwas bedrückt? Oder wenn du einen Rat brauchst?« Warum sollte die berühmte Hannah Gregory sich ausgerechnet Amy anvertrauen?
Hannah lachte. »Ich verstehe, warum dich das interessiert,
aber in Wahrheit bin ich dir sehr viel ähnlicher, als du denkst. In meiner Jugend erhielt ich dauernd Unterricht, damit ich Auftritte als Sängerin oder Werbejobs annehmen konnte, alles, was Mom halt so an Land zog. Inzwischen bin ich ständig im Studio oder auf Tournee. Ich bin immer mit den Jungs zusammen. Die Menschen, denen ich begegne, sind entweder andere Künstler, das bedeutet meist Eifersucht oder Konkurrenz, oder es sind Leute, die meine Gegenwart zu sehr einschüchtert, oder ich kann einfach nichts mit ihnen anfangen. Du bist die erste Frau seit ewigen Zeiten, die ich gerne zur Freundin hätte.«
Ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit breitete sich in Amys Brust aus. Eine Freundin. So albern es auch klingen mochte, aber mit jedem Tag, den sie in ihrem neuen Leben verbrachte, kam sie sich ein Stückchen reifer vor.
Sie wollte über den Tisch greifen und Hannah umarmen, aber das Klingeln ihres Handys verhinderte diesen impulsiven Akt. »Entschuldige mich. Dauert nur eine Sekunde.«
»Hallo?« Die Nummer im Display verriet ihr, dass es Micki war, noch bevor Amy abgehoben hatte. »Was ist schiefgelaufen?«, fragte Amy, denn sie hatten verabredet, dass Micki nicht anrufen würde, da Roper es mitbekommen und über Informationen von zu Hause verunsichert werden könnte. Amy sollte sich bei ihr melden, wenn sie Hilfe brauchte.
»Was nicht?«, fragte Micki zurück.
Amy schloss die Augen und bemerkte zum ersten Mal, wie leicht doch die wirkliche Welt – und Ropers Probleme – ihrer idyllischen Zeit hier Risse bescheren konnten.
12
»WAS GIBT’S DENN?«, erkundigte sich Amy bei Micki. Sie hielt
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