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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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in der Hand.
    »Tha! Noch satte eins fuffzig pro Packen gespart. Ja, ja. Auch Kleinvieh macht Mischt. Prosch!«
    Fred war zufrieden.
    Cynthia versuchte, ein Foto zu machen.
    »Wieso geht’n das nich?«
    Fred untersuchte den Apparat.
    »Tja. Hätsch an der Kasse halt noch ’n paar Batterien einstecken müssen.«
    »Und jetzt?«
    »Gehn wir in die Besenkammer. Wo wir schon da sind«, sagte Frantz.
    »In eure Schwulenkneipe? Oh Gott. Lassen die mich da überhaupt rein?«
    Irgendwann landet jeder in der Besenkammer, hatte Luzifer, der Wirt im Anna Koschke, einmal zu Thomas Frantz gesagt. Es klang wie eine Fatalität. Frantz und Fred landeten dort unausweichlich, wenn nichts anderes in der Gegend mehr aufhatte. Die Besenkammer hatte immer auf. Jeden Tag, jede Stunde. Sie war eine der ältesten Kneipen im Viertel. Es gab sie schon, als Homosexualität in der DDR ein Geheimnis war. Aus den Boxen klangen Lieder wie Griechischer Wein . In der Besenkammer war immer Volksfest. Schenk noch mal ein. Fred und Frantz orderten geistige Getränke. Cynthia Prosecco. Bärtige Komplimente. Klar lackierte Fingernägel. Ein Typ wie ein Fremdenlegionär sah Frantz fest in die Augen. Der fette Wirt trug einen grünen Trainingsanzug. Der Fremdenlegionär prostete Frantz zu. Frantz winkte fröhlich und stürzte seinen Schnaps. Er bestellte gleich noch einen. Nach kurzer Überlegung für Fred einen mit. Neben ihm stand ein junger Mann, er hielt einen Schein in der Hand. Frantz musterte ihn. Der dicke Wirt nahm den Schein und strich mit dem Finger über den Handrücken des jungen Mannes. Frantz zahlte. Er nahm die Getränke und schlängelte sich um die Gäste herum. Fred und Cynthia hatten sich am Fenster vor dem Geldspielautomaten postiert. Dort saß ein großer, kräftiger Mann allein am Tisch. Frantz setzte sich auf den freien Stuhl. Der Mann hatte zarte blonde Locken und trug ein knöchellanges Abendkleid. Er fischte eine Packung Zigaretten aus seiner Handtasche und bot Frantz eine an. Fred und Cynthia rückten dazu. Der Mann hob sein Glas.
    »Maggie.«
    Maggie war mal verheiratet in Würzburg. Maggie, die große Maggie, ein Kerl wie ein Baum. Maggie, die große Maggie, eine Frau zum Verlieben. 1,93 Meter, blonde Löckchen, Schultern wie ein Quarterback. Deutscher Flag-Footballmeister 2007, 2008, 2009, Berlin Bears, degewo-Stadion Lipschitzallee. Maggie, die große Maggie, Gewinnerin des Transencastings Unsere Transe für Kesha in der Bar zum schmutzigen Hobby, Rykestraße 45, und Auftritt mit Nina Queer und Kelly Kinky als Background Dancers der Sängerin Kesha in der Oliver-Pocher-Show. Maggie, die große Maggie, sie wusste im Wettbewerb als Einzige eine Antwort auf die Frage: In welcher europäischen Großstadt sah man Lothar Matthäus und Liliana zuletzt knutschen?
    Die Besenkammer war zum Bersten voll. Cynthia und Maggie hatten sich in ein Frauengespräch verkeilt. Fred und Frantz redeten über Fußball. Maggie erklärte die Regeln des Football, Frantz die des Schachboxens. Cynthia liebte Maggies Handtasche. Fred dozierte über Konrad Zuse. Maggie haute Fred auf die Schultern. Fred verschluckte sich. Frantz zog Cynthia den Hut ins Gesicht. Dazwischen stand Maggie auf. Gierigen Blicks schlug sie sich mit der Eleganz des Rasenkämpfers durch die Meute vor dem Tresen und verschwand mit dem Legionär auf der Toilette. Als sie zurückkam, spendierte sie eine Runde. Sie schniefte. Frantz verschwand mit Maggie, und als er wiederkam, schniefte er. Dann verschwand Fred mit Maggie und brachte eine Runde. Er schniefte. Irgendwann legte Maggie das Koks auf den Tisch und teilte es mit ihrer Kreditkarte. Fred setzte sich auf Cynthias Schoß. Cynthia schniefte und quietschte vor Vergnügen. Freds dünne Lippen reichten von einem Ohr zum anderen.
    »Herrlich, ich hab noch nie ’n sprechenden Stuhl gehabt.«
    Frantz sorgte sich ein wenig um Cynthia. Sie maß ja kaum einen Meter fünfzig.
    »Aber nein«, sagte Fred. »Ich sitz öfter auf ihr, darauf besteht sie. Aus Protesch, von wegen man könne auf ihr nicht sitzen.«
    Frantz holte Getränke, Fred stand auf.
    Sie: »Sitz!«
    Er: »Nein.«
    Sie: »Ja!«
    Er: »Nein«, sie: »Aber sofort!«
    Fred setzte sich.
    Maggie stand auf und holte eine Runde.
    Freds gelb kariertes Jackett flatterte im Wind und die dünnen Haare. Er sah aus wie ein schlecht geschorenes Schaf. Einhändig schob er Cynthia über das Kopfsteinpflaster und rauchte. Der Rollstuhl ruckelte. Leere Flaschen klapperten im Netz. Ihr Kopf

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