Gehwegschäden
eine abgepackte Zahnbürste unter dem Spiegel und eine Zahnpasta daneben. Thomas Frantz tut, wie ihm geheißen, auch wenn er nach dem Sport bereits geduscht hat.
Sie liegen noch eine Weile auf dem Bett.
Sie rauchen. Reden. Kinder habe sie nie gewollt. Das habe sie auch immer allen Kerlen gesagt. Lieber frei sein. Lieber Beruf. Lieber Urlaub, moderne Zweizimmerwohnung mit Balkon, Müllschlucker und Aufzug, lieber – Frantz packt sie am Hintern, recht ruppig. Er knetet die Backen, gleitet geschickt runter und beginnt das Spiel. Sie ist rasiert, aber es kratzt wie Schweinsborsten, lieber hätte er ein paar ehrliche Haare verschluckt, aber was soll’s, und wer zu wählerisch ist, wird gar nicht gelegt.
Gegen Mittag schultert Frantz seinen Rucksack. Darin die stinkenden nassen Boxsachen, Faye ist nicht da, er hat sie gar nicht gehört, er hat Kopfweh, eine pelzige Zunge und aufgeraute Haut um den Mund. Das juckt. Da erinnert sich Frantz an die Zahnbürste, die er in der Nacht benutzt hatte. Mitsamt Jacke und Rucksack putzt er sich im Bad die Zähne, es ist wie eine Befreiung vom Übel, von der Schuld, die in ihm aufsteigt. Thomas Frantz ist eigentlich kein Fremdgänger, er lässt nur ungern was anbrennen. Und wenn es schon mal sein soll, ja was soll’s dann. Einen Moment überlegt er, ob er Faye so etwas wie eine Telefonnummer hinterlassen soll, erinnert sich aber, dass er gar keinen Stift dabei hat, findet auch keinen in der ganzen Bude weit und breit, nicht einmal einen Lippenstift, mit dem er was auf den Spiegel hätte malen können.
Thomas Frantz schließt die Tür.
In der Mittagshitze läuft er schwer beladen los, der Rucksack drückt, und eigentlich könnte er jetzt einen Schweinsbraten vertragen, wo der doch am Aussterben ist. Er läuft noch am Kaffee Burger vorbei und holt sein Rad, dann macht er sich zu Hause eine Brühe heiß und stellt fest, dass ihm jemand das Handy sowie den Mundschutz aus der vorderen Rucksacktasche geklaut hat. Idiotischerweise in dieser Kombination. Er ist also Opfer eines Verbrechens geworden. Weil er sich keinen Reim darauf machen kann – was wollte die Zahnärztin mit seinem roten Mundschutz? War das für sie eine Trophäe? Ein Fetisch? Aber warum dann das alte Handy? Konnte das der russische Kinderbüchsenmann gewesen sein? Das Mädchen, das für Jazz Combo und Didgeridoo abkassiert hatte? Oder jemand, der sich auf ein affenähnliches Herumkrabbeln zwischen den Tischen spezialisiert und einfach mal beherzt in die Tasche gegriffen hatte, bevor er sich so pavianartig entfernte, wie er gekommen war? –, kratzt er sich am Kopf und legt sich erst mal hin.
18. Die Gerichtsvollzieherin kommt zu Frantz, raucht, regt sich furchtbar auf und entspannt sich wieder
Die Gerichtsvollzieherin klingelt am nächsten Morgen und steht vor Thomas Frantzens kleiner Dachwohnung in Begleitung eines jungen breitschultrigen Mannes. Sie keucht. Der Mann trägt eine schwarze Nappalederjacke nach Art der Gangsterfilme. Det is mein Kollege, sagt sie gleich. Der junge breitschultrige Mann nickt. Frantz öffnet die Tür und lässt beide herein. Er entschuldigt sich, er möchte ihnen lieber nicht die Hand geben, er habe sich wohl ein wenig erkältet. Ja, ja, man redet ja überall nur noch von Schweinegrippe und Pandemie, sagt die Gerichtsvollzieherin und prescht ins Zimmer.
Über den schrägen Dachfenstern brauen sich Wolken zusammen, Frantz bemerkt das, die Gerichtsvollzieherin öffnet ihren schweren schwarzen Koffer auf dem Fußboden. Die Frau ist Anfang oder Mitte vierzig, schätzt Frantz. Sie ist dünn, wirkt abgehetzt, sie hat schlechte Haut und stumpfe, fettige Haare. Starke Raucherin. Das sieht Frantz an ihren gelben Zähnen. Der Mann erscheint ihm dagegen kerngesund. Die Frau kramt eine Schachtel aus ihrer Jackentasche und steckt sich eine Zigarette an.
Thomas Frantz erklärt, er habe nur fünfundzwanzig Euro da. Das möchte er anzahlen, er sei ja zahlungswillig, und den Rest abstottern. Frantz nimmt das Geld vom Schreibtisch und entdeckt, dass auf einem der Zehn-Euro-Scheine ein Treueherz des Kaiser’s klebt.
»Das ist zu wenig«, sagt die Gerechtigkeitsvollzieherin, »es geht hier um vierhundert.«
»Was?«
Frantz erschrickt.
»Wovon reden wir hier?«
»Na von dieser Forderung.« Die rauchende Gerichtsbarkeit hält Frantz ein riesiges gelbes Papier unter die Nase.
»Aber das ist doch schon längst bezahlt?! Wissen Sie eigentlich, warum Sie hier sind?«
Das Gericht zieht an seiner
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