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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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Zigarette, obwohl noch immer atemlos wegen der Treppen, und sieht Frantz verdutzt an.
    »Sie sind hier, weil Sie sechzehn Euro dreiunddreißig für einen Rechtsanwalt eintreiben, obwohl er schon fünfundzwanzig Euro von mir bekommen hat.«
    Die Gerechtigkeit qualmt und sieht auf das Papier.
    Eine Weile überlegt sie.
    »Was?«
    »Sie treiben sechzehn Euro Märchengebühren für einen Anwalt ein.«
    »Ach, erzählen Se mir nüscht. Sie wissen ja gar nicht, was man in diesem Beruf heutzutage alles erlebt. Wissen Se was? Ick hab et satt. Heulende Menschen, verzweifelte Menschen, kotzende Menschen, stinkende Menschen, und das um jede Uhrzeit. Alle sind se verzweifelt. Alle haben se Geschichten. Immer. Alle sind se schlauer als ick, grundsätzlich. Ick meene, morgens um halb neun, det is doch ’ne zivile Uhrzeit, der Mensch is ja durch mein Büro dreimal schriftlich vorjewarnt worden, und dann muss ick einen unausgeschlafenen und nach irgendeinem Pitralon oder Alkohol stinkenden Menschen ertragen, so genau kann ick das morgens gar nich auseinanderhalten, so ’n behaarter Kerl, der in Unterhosen die Tür aufmacht und sich unablässig am Sack kratzt, und dann hat er auch noch die Verve, mir zu sagen, er hat det Geld natürlich nich. Also da müssen wir eben pfänden. Das heißt ja erst mal nur, wir kleben ’n Kuckuck, aba auf was? Auf einen wandbreiten Flachbildschirmfernseher der neuesten Generation, den ick gar nicht pfänden darf, weil der arme Herrfrauhartzvierempfänger denn nüscht mehr zum Glotzen hat? Ja wo haben sie ihn denn her, ihren 3-d-highspeed-flatscreen-receiver, wenn nich vom Elektromarkt, dem sie’s schuldig geblieben sind? Na jut, haben sie den Fernseher halt bar bezahlt, aba dafür die Stromrechnung nich oder die auch noch grade so, aba den jegnerischen Anwalt natürlich großzügig vergessen. Ick kann Ihnen was sagen. Sie sehn ja noch vernünftig aus. Was mich da sonst immer so erwartet. Nicht auszuhalten. Ekelig. Menschenunwürdig. Kroppzeug. Abschaum. Und ick mein jetzt noch nich mal die mit Migrationshintergrund. Da is ja meistens Derherrjussufodersüleimann gar nich da. Immer nur die Kopftuchweiber«, sagt die Gerechtigkeit und qualmt, »kannnixverstehn. Kannnixsagn. Mannnixda. Gna, gna, nix nix. Glauben Sie mir, ick hab alles durch. Glauben Sie, ick hab et leicht? Glauben Sie, ick habe keine uneheliche Tochter durchzuziehen, die mir Scheiße baut inner Schule und ’n Araber anschleppt? Nee! Kratzen die sich am Sack. Einer hat mal ’ne Hacke aus’m Spülschrank geholt, ick kann Ihnen sagen, das hat gestunken, als der die Klappe da unter der Spüle aufmacht, wo sich oben die verkrusteten Töpfe türm’, und dann holt der ’ne Hacke da raus und brüllt: BEVOR DU SCHLAMPE HIER WAT PFÄNDEST, HACK ICK LIEBER ALLET SELBER KURZ UND KLEIN – na ick sage Ihnen, da wird et Ihn’ aba anders.«
    Der junge breitschultrige Mann nickt.
    »Da kriegen Se’t mit der Angst zu tun. Ick bin doch nur ’ne Frau!!! Und dann steht da so ein Abschaum vor Ihn’ mit ’ner Axt, und wer weiß, wen er damit zerhacken will, und am Ende noch sich selbst? Nee. Wegen fünfundzwanzich Euro? Det is numa mein Satz. Deswegen soll ick täglich mein Leben riskieren? Und das meiner Tochter? Damit se Waise wird? Nee. Det is zu wenig. Ick sage Ihn’. Alle wolln mehr Geld. Okay. Aba wissen Se, jeder kriegt’s, die Lotsen am Flughafen, die Krankenschwestern und die U-Bahn-Schaffner sowieso, weil die könn ja streiken, da tut’s weh, wenn die streiken, wem tut’s denn weh, wenn wir mal streiken? Den sackkratzenden Schweinen bestimmt nich, nur den armen Teufeln, den Gläubigern und den Anwälten, die auf ihre Inkassogebühren hockenbleiben. Aba die helfn mir ooch nich. Die sind doch selber am Arsch. Ick sage Ihn’, unsereins, der hat keine Gewerkschaft. Unsereins, der muss zusehen, wo er bleibt, der muss pfänden, der muss rauflatschen in jen sechsten Stock ohne Aufzuch, der muss Kuckucke klebn auf jen Schrott, der muss sich beschimpfen lassen vonne Asozialen und Kanaken, der muss sich zerhacken lassen vonne Sackratten und beschimpfen inner obsönsten Weise, glauben Sie, det macht mir Spaß? Glauben Sie, ick mach det gerne? Und wenn der erste von uns ma zerstückelt auf’m geleasten Teppich liecht? Denn ist det Geschrei groß. Denn aba. Hörn Se ma!«
    Frantz reicht der Richtigkeit einen Aschenbecher.
    Sie sieht wieder auf das Papier.
    »Det stimmt. Det is längst bezahlt.«
    »Eben.« Thomas Frantz streicht sich durch die

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