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Gehwegschäden

Gehwegschäden

Titel: Gehwegschäden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Kuhn
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Handelssaal der Frankfurter Börse. Besucher stürmen Plattform und zerschlagen Glasscheiben auf der Balustrade, Händler in Panik. Krisenticker, Leute, lest den Krisenticker! 14.33 Uhr: Britische Notenbank sagt Schaden von fast drei Billionen Dollar voraus. Die Prognose liegt doppelt so hoch wie die jüngste Schätzung des IWF. Krisenticker, lest den Krisenticker, 18.12 Uhr: Angst in Frankreichs Chefetagen. Streikende Arbeiter eines Baumaschinenherstellers nehmen Konzernleiter und Manager in Geiselhaft. Der Konzern will 733 Stellen streichen, die Arbeiter drohen mit Ermordung. Krisenticker, Dax schließt bei 4335 Punkten, Leute, lest den Krisenticker, neueste Meldungen von der Krise …«
    »Sag mal, wo bistn jetzt? Ich seh dich kaum noch …«, ruft Thomas Frantz.
    »Ah, Thomas, du! Andere Tour. Mitte Wedding.«
    »Und wo treff ich dich?«
    »Im Anna Koschke«, sagt der Zeitschriftenverkäufer. »Ich hab noch einen persönlichen Tipp für dich …«
    »Ja? Welchen?«
    »Goldreserven auf keinen Fall verkaufen!«
    »Goldreserven halten. Gut. Mach ich, danke.«
    Die Feuerschlucker rücken an, sie haben sich heute mit dem Didgeridoo-Mann zusammengetan. Ein ohrenbetäubendes Beben erschüttert den Platz, es sind die Rollkoffer einer japanischen Reiserotte, Feuerspacke und der Keulenschwinger wetzen die Messer, die Trolleys rumpeln vom Hostel übers Pflaster, Didgeridoo trommelt, und die Messer schwirren durch die Luft, mit vieren nimmt er’s auf, der Feuerkeulenmessermann, siggesaggesiggesagge-heu-heu-heu grölen die Japaner, Didgeridoo quittiert das mit einem langgestreckten Woooooooo und schnalzt mit der Zunge den Rhythmus drauf, Feuerspacke schluckt und spuckt, siggesasaggesiggesagge wooo-wooo-wooo, Didgeridoo rockt den Platz, und was macht das Mädchen der Cool Jazz Band?
    Kassiert den Frantz ab. Wieder ’n Euro weg, so geht das, aber die Kruste kommt geschmacklich mit ein wenig Luft noch mal hoch, der Schweinsbraten stirbt aus, aber er stößt wieder auf, das ist sein Vorteil, sanft bitter der Kümmel mit einem Hauch von Knoblauch.
    »Entschuldigen Sie …«, sagt eine Frauenstimme.
    Thomas Frantz blickt verstört von seinem Bier auf. Vor ihm steht eine Frau, vielleicht in seinem Alter. Sie ist groß und kräftig und brünett. Sie ist hübsch und trägt einen breiten Gürtel über einer weißen Hose.
    »Ist hier noch Platz?«
    Nachdem Frantz und die Frau aus München, sie ist Zahnärztin in einer Gemeinschaftspraxis in Bogenhausen und hat kleine, aber strahlend weiße Zähne passend zur Hose, sie ist Gast eines Symposiums, das von einem Fabrikanten von Quecksilberlegierungen gesponsert wird, heißt Faye, hat quirlige Locken und liebt tatsächlich Kafka und Kundera, noch einige Gläser Bier getrunken und über dies und das geredet haben, schlägt Thomas Frantz vor, die Unterhaltung in der Riva-Bar fortzusetzen. Nachdem sie in der Riva-Bar einige Mochitos getrunken haben, schlägt Frantz vor, sie mit dem Fahrrad in die Russendisko zu fahren. Sie weiß gar nicht, was das ist, Thomas Frantz erklärt es ihr, aber sie weiß gar nicht, wer das ist, Wladimir Kaminer, nimmt dennoch Platz auf dem Gepäckträger, etwas unsicher noch, aber betrunken genug, und Thomas Frantz rüttelt sie, den Gebirgsjägerrucksack geschultert, an dem sie sich festhält, über das Pflaster zur Tanzwirtschaft Kaffee Burger auf der Torstraße. Dort nehmen sie, weil gerade im Angebot und Frantz zahlt, einen Himbeerdaiquiri aus der Mixmaschine. Es ist laut und voll, auf der Tanzfläche fliegen die Fetzen, alles stampft und hüpft auf dem Holzboden zum russischen Pop, und Thomas Frantz schlägt vor, den Abend in ihrer Bleibe fortzusetzen, aber diesmal mit Taxi. Er ist langsam müde nach all dem Sport und Schweinsbraten und nicht mehr der Jüngste.
    Es ist ein Zimmer mit Kochnische und Bad im 13. Stock eines Apartmenthauses in der Rochstraße, einem neu gestalteten Plattenbau, den Frantz kennt, weil er schon oft mit dem Fahrrad daran vorbeigefahren ist, aber noch nie daran gedacht hat, einmal hineinzugehen. Die Tür am Ende des verschachtelten Flurs geht nach außen auf. Wie in allen Plattenbauten. Es ist einfach fies, wenn die Wohnungstür nach außen aufgeht. Thomas Frantz wirft den Rucksack ab, Faye verschwindet im Bad. Als sie zurückkommt, liegt Frantz schon auf dem Bett, er hat noch die Unterhose an, ein Herzchenmotiv mit Pfeil darauf, und Faye verlangt von ihm, dass er dusche und sich die Zähne putze. Das sei ja wohl das Minimum. Es liege

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