Gehwegschäden
Kindertheateraltgrandseigneurs. Sie sehen in allen Ecken und auf den Tischen nach und sogar im Badezimmer. Karl der Große weiß, dass der Altekinderregiegigant eine legendäre Weinsammlung besitzt und sucht am Schlüsselbrett im Flur nach etwas, das aussieht wie ein Kellerschlüssel. Dann versucht Karl, Carola, die gerade eng umschlungen tanzt und ihre Zunge kreisen lässt, dazu zu überreden, ihm bei der Suche nach diesem Schlüssel zu helfen und darüber hinaus die Lage des sagenumwobenen Depots zu verraten. Schließlich entdeckt Karl ein kleines Weinregal neben dem weißen Canapé im Altberlinerraum.
»Pack mal rein da«, sagt Karl.
»Ganz unten ins Regal. Wo die richtig teuren Pullen liegen.«
Frantz greift in das Regal und zieht eine Flasche hervor. Es ist ein Weißwein, Jahrgang 1969, Lorraine.
»Bingo«, sagt Karl.
»Ja, aber brühwarm.«
Frantz macht sich auf in Richtung Küche, Korkenzieher, Gläser und Eiswürfel zu besorgen. Zurück auf dem Canapé, entkorkt er die Flasche und gießt ein. Nimm Eiswürfel, sagt Frantz und hält Karl einen kleinen Kübel hin, den er auf dem Küchentisch gefunden und mit Eiswürfeln gefüllt hat. Plötzlich steht der Altekinderregisseur vor ihnen. Er sieht die Flasche in Frantzens rechter Hand und die Eiswürfel in seinem Glas, diesen doppelten Frevel, leibhaftig und wie vor Schreck erstarrt steht er vor Frantz und Karl dem Großen und ringt nach Luft.
Der Alte bekommt einen Tobsuchtsanfall und hochroten Kopf. Die flinken grauen Augen hinter dem schwarzem Gestell zu Bunkerschlitzen verziehend, spuckt er, schreit und greint im Altberlinerraum, ihm fehlen die Zähne, außerstande, die gewohnte, ihm zustehende, ihn zierende Furcht zu verbreiten – Frantz und Karl der Große machen sich nicht einmal die Mühe, ihn ernst zu nehmen, vielleicht das Schmerzlichste in seiner Lage; sein Gebrüll verkommt zum Gebell im Altenraum, bis es gurgelnd in seinem Hals erstickt. Der Mann sabbert, rot vor Zorn, Frantz und Karl der Große heben ihre Gläser, und dann kläfft Baffles.
Marie entsorgte Frantz von dieser Party, es war noch nicht einmal ein Uhr. Auf der Straße hielt sie ein Taxi an, bugsierte Frantz in den Fond, half ihm ein wenig die Treppen hinauf, legte ihn aufs Bett und zog ihn aus. Frantz schlief friedlich ein.
Einige Tage später erhielt Marie-France einen Brief. Anonym. Darin die Schmutztitelseite des Buches, das Marie-France für Carola gekauft hatte, mit Frantzens Glückwunsch darauf. In dem Brief stand: Liebe Marie-France, viel Spaß mit einem Freund, der Dich betrügen möchte. Sehr klein und ziseliert. Kurz darauf rief Carola an. Ist dein Freund auch wirklich nett zu dir? Bist du glücklich mit ihm? Marie-France verstand nicht, was diese Fragen bedeuten sollten, und dann brach Carola in Tränen aus, die Fakten sprachen für sich. Frantz brauchte eine Weile, bis er begriff. Er konnte sich nicht mehr an den Rest des Abends erinnern, aber Marie-France schwor, Frantz habe seine Unterhose noch angehabt und diese habe weder gerochen noch irgendeine Abnormität aufgewiesen, da fiel es Frantz auf. Das Altewestberlin hatte abgekackt und wollte es Frantz in die Schuhe schieben.
Frantz malte sich aus, wie der Grandseigneur, nachdem sich Carola bereits hingelegt hatte, als Marie-France, Frantz und die letzten Gäste gegangen waren, zum alles vernichtenden Gegenschlag ausgeholt haben musste. Er ging auf die Toilette und schiss in die Hose. Verschmierte etwas von den Fäkalien auf dem Boden des Badezimmers, legte eine Spur in die Küche, bestrich damit, wie mit Fingerfarbe, Teller und Tabletts und die Überbleibsel von Hühnchen auf Broccoli, schlich sich in Carolas Schlafzimmer und schmierte den Rest des Exkrements unter ihre Bettdecke. Dann verwischte der Altewesten sorgfältig seine eigenen Spuren, duschte und legte sich hin.
»Glaubst du wirklich?«, fragte Marie-France völlig verstört.
»Wer soll’s denn sonst gewesen sein außer diesem Schwachkopf?«
20. Wohlhabende Freunde. Läuft das Leben nicht auf eine ganz natürliche Segregation hinaus?
»Ah nee. Hab ich völlig vergessen.«
Frantz wollte etwas sagen, kam aber nicht dazu. Shandor ließ ihm dazu keine Zeit.
»Ja du, morgen Mittag hab ich meine Tochter, allein, eine Stunde, weil die Kinderfrau einkaufen geht. Dann bin ich bei Adnan, am Nachmittag hab ich Sport, und am Abend bin ich mit meiner Frau zur Hochzeit hier in der Nachbarschaft eingeladen. Die Sasa. Mann, das ist ein Teil, kann ich dir sagen. Beine
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