Geier (German Edition)
krachend ein und fuhr die fünfhundert Meter bis zu Cheries Haus. Das Auto stellte ich in den Schatten einer breitkronigen, verschwenderisch blühenden Magnolie und ging zur immer offenen Küchentür hinein.
Ich nahm Cheries Telefon mit auf die Veranda, setzte mich in die Hollywoodschaukel und wählte Mistys Betrieb in Barstow an. Sie meldete sich sofort.
„Alles in Ordnung?“
„Wo bist du?“
„Nicht bei unserem Freund – war mir zu unsicher, also bin ich ein Stück weitergefahren.“
Sie versuchte, ruhig zu bleiben, aber sie wurde immer aufgeregter. „Winston sitzt schon wieder. Seit vorgestern Abend. Angeblich hat er einen Polizisten bedroht, was totaler Quatsch ist. Aber er ist im Stadtknast von Barstow, und Sammy meint, vor Freitag paukt er ihn nicht raus. Bis dahin ist irgendsoein Rassistenarsch Richter, und der lässt nicht mit sich handeln.“
„Und du? Wie geht´s dir? Was war denn los?“
„War schon, wie du dachtest. Das waren keine Hiesigen, die Winston anhielten. Die Uniformierten schon, aber die anderen wollten nur herauskriegen, was er weiß. Er tat natürlich doof, was die so sauer machte, dass ihm der Indianer eine feuerte. Winston hat dem natürlich ganz ruhig gesagt, dass er ihn kastriert, sobald er ihn findet, aber das war ein Fehler. Die Uniformierten haben ihn zu dritt verdroschen, nachdem sie ihn fesselten, und gleich noch Verstärkung angefordert. Die haben mir auch mit Verhaftung gedroht, als ich dort ankam, und haben Winston sofort in die Zelle gesteckt. Ich habe natürlich Sammy angerufen, aber der meinte gleich, dass Winston denen voll ins offene Messer gelaufen ist. Kann man nichts machen. Beide lassen übrigens schön grüßen.“
Um mich, sagte sie, habe sie sich keine großen Sorgen gemacht, denn sie habe ja gewusst, wo sich die Typen aufhalten.
„Gibst du der Mexikanerin den Tausender?“ War mir wichtig. Ich wollte nicht, dass die mich doch noch verpfiff.
„Mache ich. Wann und wo sieht man dich wieder?“
„Weiß ich noch nicht. Momentan bin ich gut aufgehoben. Gut möglich, dass ich ein paar Tage bleibe. Hast du sonst von jemandem gehört?“ Nein, hatte sie nicht. Wir flöteten ein paar liebevoll gemeinte Floskeln und hängten dann gleichzeitig ein.
Ich brauchte den Franziskaner nun doch. Allein wurde ich mit der Mistysituation nicht fertig. Er hatte wenigstens Ideen, die aus langjähriger Erfahrung stammten. Ich rief ihn also an und machte einen Termin mit ihm aus.
Dann holte ich meinen Laptop aus dem Jeep, stellte ihn auf den Picknicktisch und wählte das Net an. E-Mails warteten, aber nichts Lesenswertes. Nur Mist. Nur Krampf, der täglich in Millionenauflage verteilt wird. Ich drückte den Dreck ungelesen in den elektronischen Mülleimer. Dann kümmerte ich mich endlich wieder um meine hochaktiven Freunde im nahen Tal.
Die kannten keine Scham. Ich staunte, wie öffentlich die ihr Geschäft abwickelten. Immerhin pushten sie harte Drogen, was in unserer Gesellschaft als ebenso verwerflich gilt wie Mord, Zuhälterei und Kommunismus. Und hier, für jeden der sehen wollte deutlich erkennbar, war eine ganze Bestell- und Verteilungsmaschinerie. Die man nur bedienen brauchte, um Lieferungen entgegenzunehmen, Geld abzuliefern und den beiderseitigen Profit unter Umgehung aller inländischen Bankgesetze sicher anzulegen. Jedenfalls war mir, als sei das, was ich da mit Rick Cavanaughs Hilfe gefunden hatte, der Sinn der Sache. Sehr deutlich, wenn man alles zusammenzählte.
Rick hatte mir eine lange Mail geschickt, die einige URLs enthielt. Und seine Deutung der elektronischen Vorgänge auf den Seiten, zu denen die Uniform Resource Locators führten, diese Internetadressen mit der unaussprechlichen Gattungsbezeichnung. Wenn man Ricksches Augenmaß anlegte, kam eine kriminelle Energie zutage, die mir nie aufgefallen wäre.
Er hatte eine Home Page entdeckt, die in den einschlägigen Suchmaschinen fehlte. Er hatte sie aufgetan, indem er einfach über die uns bekannte Telefonnummer den dazugehörigen Internetanschluss behackte. Was zur besagten Seite führte, die irgendwas über Weine aus dem Santa Maria Tal faselte, aber wenn man auf eines der Weinberg-Bilder mausklickte, öffnete sich eine weitere Seite. Die wies nur ein paar leere Kästchen auf. Tippte man Zahlen oder Buchstaben in sie hinein, wurde ein Schema deutlich.
Ein Kästchen wies alles Nichtnumerische zurück. Das andere Kästchen wollte Schrift sehen, das dritte einen numerischen Wert mit
Weitere Kostenlose Bücher