Geier (German Edition)
sie. „Ich war so verzweifelt, dass ich ihn heute oder morgen vergewaltigt hätte. Er will mir schon lange in die Hose, und bisher hatte ich eigentlich keine Absicht, seine von innen sehen zu wollen. Aber die letzten Tage überlegte ich´s mir doch.“ Sie drückte sich fest an mich, und ich legte im Gehen meinen Arm um sie.
Unbequemer lässt es sich nicht spazieren. Aber für den Bob hinter der Gardine war´s mir das bisschen Kreuzschmerz wert.
Die Sterne waren so klar wie im Big Sur. Wir saßen auf einem umgestürzten Baumstamm, ließen die Beine baumeln und schauten hoch. Wunderschön war es. Ein mitternachtsblauer Himmel, grellweiße Sterne, Konstellationen, die an der erhellten Küste nur geahnt werden können und verdammt viele Sternschnuppen. „Sind wir etwa schon in den Plejaden?“ wollte ich wissen. Als Akademikerin kennt man sich auch mit Astronomie aus.
„Was sind denn Plejaden?“
Denkste.
„Sieben Göttertöchter. Die als Sterne in den Himmel gestellt wurden. Und jeden Sommer fallen Tausende Meteoriten aus der Himmelsrichtung, in der sie stehen. Ich weiß nur nie, wann das ist.“
„Ach so, das. Ja. Im August. Da sitze ich oft hier oben und schaue die halbe Nacht zu. In den Fernsehnachrichten meldet die Wettertante, wenn´s wieder so weit ist.“
Schön war es, dort oben auf dem Hügel. Der Stamm war morsch – der lag wohl schon lange hier am Waldrand. Wenn mein Absatz dagegen schlug, hörte man das Holz knistern, und der dumpfe Schlag ließ darauf schließen, dass er hohl war.
Auf der Landstraße nach Parkfield brummte etwas mit zwei Scheinwerfern, aber sonst war kein Menschengeräusch zu hören. Die Nacht war kühl, wie Sommernächte in Mittelkalifornien nun mal sind, und ich legte meinen Arm um sie.
„Bist du eigentlich verheiratet?“ Sie fragte das eher lakonisch.
„Nein. Du?“
„Ja, sicher. Seit fast zwanzig Jahren.“ Irgendwie schockte mich das.
„Und wo ist dein Mann? Habt ihr euch getrennt?“
„Um Himmels willen, nein. Wir verstehen uns sogar prächtig. Kein Spur von Trennung. Er arbeitet für die NASA; Raumfahrtingenieur ist er, ist in Vandenberg stationiert, an der Küste, und muss oft monatelang nach Florida. Da ist er diesmal seit März, und wahrscheinlich kommt er nicht vor Ende August wieder her.“
Sie bückte sich und riss einen langen Halm ab. Dem knipste sie dann in aller Ruhe jeweils einen Zentimeter ab, bis er nur noch ein Stümmelchen war. Das warf sie weg und grinste mich an. Ich hatte kein Wort gesagt. Irgendwie gefiel mir das nicht.
„Komm, wir bumsen noch schnell einen. Und dann bringst du mich heim“, schlug sie vor.
Aber diesmal dauerte es fast eine Stunde, bis sie ihn so weit hatte. Gefiel mir wirklich nicht.
Ich lag lange neben ihr und hörte ihr zu. Sie erzählte mir viel zu viel – Privates, Sachen, die einen Fremden nichts angehen, Storys aus ihrer Jugend. Was ich ihr dann auch sagte. Worauf sie einschnappte. Was sich bei mir immer als stille Verstimmung niederschlägt.
Sie wollte sich vor ihrer Haustür von mir verabschieden, aber sie merkte wohl, dass ich stocksauer wurde.
„Kannst mich doch nicht einfach wegschicken - ich müsste wieder im Auto pennen, und dazu habe ich wahrlich keine Lust. Lass mich wenigstens auf deinem Sofa schlafen, wenn du schon nicht dein Bett mit mir teilen willst.“
So hatte sie es ja nicht gemeint, und sie habe gedacht, dass ich vielleicht doch eine Freundin habe oder so was, zu der ich heimwollte.
„Nee, nicht in der Nähe. Und ich verspreche, dich in Ruhe zu lassen, wenn du mich mitnimmst.“ Ausgerechnet von mir, der schon den halben Tag nicht in Ruhe gelassen wird. Sie musste lachen und hielt mir einladend die Tür auf.
Sie wollte wirklich nichts von mir. Lag neben mir und erzählte. Als sie sich auszog, machte sie sogar die Badezimmertür zu. Und duschte allein.
„Harold und ich haben geheiratet, weil er nicht allein sein wollte. Seine Frau hatte ihn sitzen lassen, ist mit einem ihrer Studenten nach Hawaii gezogen, und wir zwei hatten auf einmal das Haus für uns – keine heimlichen Besuche mehr, sondern ich wohnte buchstäblich übernacht bei ihm.“ Schon wieder Privates, aber diesmal war ich interessiert. Ist manchmal überraschend, wie sich Leute arrangieren.
„Mimte die Frau Professor, obwohl ich bei ihm studierte – unter ihm, wenn man will. Meine Kommilitoninnen kamen zur Sprechstunde, ich servierte Cola und Tee. Und musste ihm zwischen Besuchen das Ding melken,
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