Geier (German Edition)
weißem Panama, braunweiße Slipper an den Watschelfüßen und glitzernde Goldkette ums Handgelenk. Der Dritte zog die Tür hinter sich zu und prüfte durch drücken und ziehen, ob sie auch geschlossen war.
Sie stiegen ins Auto und fuhren an mir vorbei. Ich schaute weg, als sie sich näherten. Ich konnte sie nicht anschauen, aus Angst davor, dass mir schlecht würde und ich vom Baum purzelte.
Ich hörte das Auto die Dorfstraße hinunterfahren, hörte, wie es über die vom Erdbeben versetzte Brücke bollerte. Es war noch kurz in der Waldlichtung zu sehen, ehe es in Richtung Paso verschwand. Also wartete ich noch mal fünf Minuten, um ganz sicher zu sein. Dann ging ich zu Cherie und klopfte.
Sie machte nicht auf. Das Radio spielte leise. Vielleicht hörte sie mich nicht klopfen. Oder sie war in der Badewanne. Oder in der Küche, und hatte die Tür zugemacht. Oder vielleicht war sie gar nicht da gewesen, und die drei Horrorbullen hatten umsonst gewartet.
Ich ging ums Haus, unter den Schatten spendenden Bäumen und an der efeubewachsenen Hauswand entlang zur Hintertür. Wie üblich stand die Tür halb offen. Ich drückte sie leise weiter auf und horchte in die kühle Küche hinein. Nichts. Nur das Radio. Wilson Phillips, You´re in Love. War im Frühsommer 91 mal in den Top Ten. Ich kann´s seither nicht mehr hören.
Sie hing in der schummrigen Ecke neben dem Kühlschrank Die Schweine hatten sie ausgezogen, sie geknebelt und ihr die Kehle durchschnitten. Sie hatten sie mit einer dunkelbraunen Verlängerungsschnur aufgeknüpft, ein Ende der Schnur über den Deckenbalken geschlagen und sie daran hochgezogen. Während sie ausblutend um sich trat wurde die Schnur fein säuberlich geknotet. Zu zweit ist das kein Problem.
Unter ihr hatte sich eine riesige Blutlache gesammelt, die sich durch Rinnsale zur Zimmermitte hin verbreiterte. Das ausspritzende Blut hatte die weiße Emaillewand des altmodischen Kühlschranks rot gefärbt und Blutstropfen fielen halb geronnen von ihren nackten Beinen. In einem letzten zufälligen Akt der Scham hatte sie dem Entdecker ihrer Pein die von Messerhieben verwüstete linke Körperhälfte zugewandt. Mir wurde ganz furchbar übel. Ich floh die Küchentreppe hinab und kotzte ins Kräuterbeet.
Mein lieber Mann. Die war mausetot. So hing man nur einmal vom Küchenbalken. Ich hatte zwar ihre Augen nicht gesehen – bewusst nicht hingeschaut, weil mich der Anblick lebenslang verfolgt hätte – aber die tiefen, klaffenden Wunden sagten alles. Und das viele Blut. Verblüffend, wie viel Blut aus einer vollschlanken, lebenslustigen Frau ausläuft. Literweise Blut, und es tropfte noch immer, was schrecklich deutlich wurde als ich noch mal in die Küche schaute.
Mein Gott. Erst John, dann Dickie. Curt hatte ich auf dem Gewissen, und nun Cherie. Die arme Cherie, die außer etwas Liebe nichts vom Leben wollte.
Das Zittern begann wieder. Ich musste mich auf den Rasen fallen lassen. Ich zitterte überall. Außen, innen. Knie, Hände, alles schlotterte. Wie soll man überleben? Wie soll ich jemals wieder glücklich werden, mit solcher Schuld? Wie soll ich weiterleben? Aufgeben, aufhören, Schutz suchen und alles zugeben, schrie es in mir. Den Kopf in den Sand, nichts mehr hören und sehen wollen. Weg, weg, weg.
Zum Glück hielt das Selbstmitleid nur kurz an. Ich musste hier wirklich weg, sonst war ich gleich geliefert.
Ich konnte mich nicht erinnern, irgendwas bei ihr gelassen zu haben. Ich überlegte, aber ich hatte meine paar Sachen wieder mitgenommen, als ich ihr Haus verließ. Laptop und Telefon, und sonst hatte ich ja nichts dabei. Mein durchgeschwitztes Hemd hatte ich in den Backpack gestopft, wo es jetzt noch steckte. Socken trug ich selten, und das andere Zeug hatte ich an. Die Bullen konnten mir also von daher nichts anhängen.
Dass mich das halbe Dorf mit ihr gesehen hatte, das ließ sich nicht rückgängig machen. Sie war nach ihren eigenen Worten sowieso dauernd mit anderen zusammen, also war ich einer von vielen. Ich glaubte nicht, dass sie mir das Ding in die Schuhe schieben konnten. Abgesehen davon, dass es mich gar nicht mehr gab. Nur ein leicht abgerissener Alter, der einige Pfunde zu viel drauf hatte. Ich erinnerte mich, meine Jeansjacke erst bei ihr zu Hause ausgezogen zu haben. Im Dorf konnte mich keiner treffend beschreiben.
Erst mal weg. Jeder Schritt war eine Qual, als ich zum Jeep zurückspazierte. Locker, als sei nichts geschehen. Die Ladeninhaberin glotzte
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