Geier (German Edition)
„Psychologie. Aber im zweiten Semester habe ich dann doch lieber Kommunikation genommen. War einfacher.“ Sie lachte mit viel zu perfekten Zähnen. Entweder war Papa reich oder sie hatte sich einen reichen Papa gesucht. Hübsch.
Ich wartete, bis die zehn Minuten um waren und ging dann langsam die Straße ins Dorf hinab. Er kam mir entgegen, jugendfrisch, beschwingt und nach Sperma stinkend. Sein Lächeln war weniger weiß, aber dafür echt.
„Mann, Jon, was für ein starkes Meeting. Ich war bis jetzt drin.“
„Man riecht´s. Bist noch immer der gleiche Bock, was?“
Er lachte und nahm nicht übel. Verspielt schlug er mir auf die Schulter und ließ die Hand gleich darauf liegen. „Trinkst du einen mit?“ wollte er wissen.
„Ich kann nicht, aber danke trotzdem. Mein Freund ist da, und er braucht dein Aufnahmestudio. Wahrscheinlich den ganzen Tag. Meinst du, dass das in Ordnung geht?“
„Klar, Mann, überhaupt kein Problem. Macht mir nur nichts Verbotenes“, wackelte Brad mit dem Zeigefinger und haute mir noch mal auf die gleiche Stelle. Ich werde noch blaue Flecken von seiner guten Laune kriegen.
Der Senderbesitzer wollte nicht wissen, was wir machen. Ausdrücklich nicht. „Weißt ja, je weniger einer weiß, umso länger hält die Freundschaft. Macht nur. Lasst mich damit in Ruhe.
Schalte das Rotlicht ein und hänge mein Do Not Disturb-Schild davor. Dann klopft keiner. Heute ist sowieso ein ruhiger Tag.“
Er verabschiedete sich, als wir zum Sender zurückkamen. „Muss noch mal wohin. Macht´s gut“, winkte er und ließ den Mercedes leise davonrollen. Früher, als ich noch für ihn arbeitete, war es immer ein einheimischer Achtzylinder für ihn – Cadillac oder Chrysler. Seit der Umstellung auf Dudelfunk machte er´s nicht unter der Langversion deutscher Protzmobile. Fortschritt.
Ich ging zurück ins Studio und sagte Rick, dass er machen soll, was er machen muss und zeigte ihm noch, wo die Kopfkissen und Decken aufbewahrt werden. Die dürfen in keinem Tonstudio fehlen. Dann ging ich noch mal ins Vorderhaus, schäkerte ergebnislos mit der abgebrochenen Psychologin und haute ab nach San Miguel.
Bruder Ignacio wartete schon auf mich. Ich hatte ihm gesagt, dass ich den Elfuhrtermin eventuell nicht schaffen würde, aber er meinte, er bringe ein Buch. Außerdem komme er viel zu selten dazu, einfach in der Sonne zu sitzen, einen Kaffee zu trinken und zu lesen. Also war es wohl auch nicht schlimm, dass ich fast zwei Stunden zu spät dran war.
Er schob den leichten Gartenstuhl zurück und umarmte mich. Seine Soutane nahm sich in der touristischen Umgebung seltsam konservativ aus. Wir folgten dem uralten Männerritual des gegenseitigen Rückenklopfens. Er freute sich wirklich, mich zu sehen. Und ich mich über ihn. Er war ein netter Kerl.
Ich bestellte bei der viel zu jungen Bedienung einen Cappucino, nachdem mir Bier irgendwie unflätig vorkam. In der Öffentlichkeit, in Gesellschaft eines Kirchenmannes. War auch besser für mein Befinden. Ich vermerkte überhaupt mit Staunen, dass sich mein Alkoholkonsum erheblich verringert hatte, seit ich bis zum Hals in der Scheiße steckte. Wenigstens ein Gutes.
Wir redeten die ersten zehn Minuten um den heißen Brei herum. Und dann wollte er wissen, wie es um mich stand. „Genau, bitte. Nichts auslassen.“
Also erzählte ich. Natürlich lange nicht alles, aber die Highlights. Was ja erschreckend genug war. Als ich zur Mistyverhaftung und der Einbuchtung ihres langjährigen Freundes und Mitarbeiters Winston kam, lief der Bruder rot an. Ich schwör´s! Stocksauer war er.
„Ich kann nicht einfach dasitzen und Däumchen drehen. Ich werde mich doch einmischen müssen – obwohl ich Misty hoch und heilig versprach, mich rauszuhalten. Aber so geht´s natürlich nicht. So käuflich wie die Dreckspatzen sind keine Polizisten, sondern Huren. Ich werde mal ein paar Leute anrufen. War nicht umsonst so lange bei dem Verein.“
Na ja, ich erzählte dann doch mehr als ich eigentlich wollte. Von Cherie und ihrem ereignislosen Landleben, von der Flucht aus Mistys Ranch, von der Entscheidung, nicht wieder bei ihm und seinen Ordensbrüdern anzuklopfen.
„So was dämliches habe ich lange nicht mehr gehört. Ich und gefährdet? Du spinnst total. Dass Misty da mitmacht, das nehme ich ihr übel.“
Ich packte dann doch aus. Es sprudelte nur so aus mir heraus. Wenn ich ihm nicht trauen konnte, wem dann? Ich erzählte ihm fast alles. Meine Befürchtungen,
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