Geier (German Edition)
dass ein Life Guard Not On Duty sei. Die Menschen in der unteren linken Höhle hatten ihre Fenster von innen mit Alufolie verklebt, die Bewohner daneben schauten durch permanent halb herabgelassene, verbogene Plastikjalousien auf das Elend des Vorhofes.
Eine Abuela saß auf harter Holzbank vor ihrer angelehnten Haustür. Das Omachen bewachte zwei lustlos pickende rachitische Hühner. Auf Parkplatz sechs an der Querseite des Gebäudes stand der graue Camaro, der auf Herrn Mannlich zugelassen war. Die Vorhänge der Wohnung Nummer Sechs im oberen Stockwerk waren zugezogen. Wir fuhren bis zum Ende der Straße weiter, drehten um und stellten das Auto vor einem mexikanischen Tacostand ab. Julie bestellte, während ich mich an einen der Picknicktische setzte, die einen bombigen Blick über die Straße boten.
Ausgemacht gute Tacos hatten die, und großartige Burritos. Ich bin ja seit frühester Jugend auf mexican food geeicht – die kalifornische Version des Fast Food. Dieses wurde noch traditionell hergestellt, mit viel Schmalz und wenig süßen Soßen. Ich staunte über Julies Spanisch; komisch, dass man Leuten, die mit Nachnamen Jose de Jesus heißen, keine Spanischkenntnisse zutraut. Lag vermutlich daran, dass sie ausgesprochen europäisch aussah.
Das ist der gedankenlose Alltagsrassismus, der uns unsere Umwelt sofort in bestimmte Schubladen einordnen lässt. Die Mehrzahl der Leute, mit denen ich im Auto sitze, drückt automatisch auf die Türschließanlage, sobald irgendwo ein Schwarzer auftaucht. Und spricht man sie darauf an, wird empört abgestritten. Kalifornische Multikultur.
Es gibt einen Gott, und der achtet darauf, dass gutes Essen nicht vergeudet wird. Wir hatten beide gerade unsere Pappteller geleert, als der Camaro auf die Straße bog. Ich hüpfte ins Auto und ließ es an, während Julie die Teller in den Mülleimer warf. Wir ließen ihm Platz, folgten in unauffälligem Abstand.
Gemächlich unterquerte Mister Mannlich den Freeway, wechselte auf die linke Abbiegespur und benutzte die Auffahrt der Stadtautobahn. Wir kamen gerade noch bei Gelb durch. Der Camaro war hundert Meter vor uns, blieb mit mäßiger Geschwindigkeit im Verkehrsfluss und bog bei der El Sueno Road nach rechts ab. Er überquerte die State Street und fuhr schneller, als er den Highway 154 erreichte.
Die zweispurige Bergstraße steigt auf acht schlängelnden Kilometern bis zur tausend Meter hohen Kuppe des San Marcos Pass. Von dort aus führt die großteils unbefestigte Camino Cielo zu beiden Seiten vom Highway ab und folgt dem Berggrat auf viele Meilen. Wo sich nicht Hollywoodgrößen und Wirtschaftsbosse hinter hohen Mauern eingekauft haben, leben noch immer Alternative in selbst gebauten Hütten, scheißen über den Balken und bekommen ihr Trinkwasser mit Tanklastwagen angeliefert. Dorthin zog es den Herrn Mannlich.
Sein Camaro verschwand im westlichen Teil des Camino Cielo, der Himmelsstraße, während ich geradeaus fuhr. Zu auffallend, ihm hier folgen zu wollen. Ich drehte auf dem Aussichtsparkplatz um, fuhr zurück zum Camino Cielo und wartete auf dem gegenüberliegenden, immer vollen Parkplatz des Tante-Emma-Ladens.
Wir saßen bis fast halb sechs in der prallen Sonne – nahezu zwei Stunden. Als er endlich auftauchte und nach Santa Barbara abbog, ließ ich mir Zeit. Zwischen der Passhöhe und der Stadt gab es nur eine Abfahrt, und die war von weit oben auf der Straße einzusehen. Trotz dichten Urlaubsverkehrs auf der schmalen, berühmten Straße pfiff das graue Auto mit quietschenden Reifen bergab. Ich hatte zu tun, ihm zu folgen. Erst im gestauten Verkehr vor der Freewayauffahrt kam ich wieder in Schussweite.
Ich wollte dranbleiben, weil mich interessierte, was so einer macht. Aber ich war nicht darauf gefasst, dass er nach Hope Ranch abbog. Das Wohngebiet gehört zum Teuersten, und ich war einfach überrascht, dass der Mensch, der in einer ziemlich miesen Gegend wohnt, so selbstverständlich in die allerfeinste fährt.
Ich hielt mich sehr zurück, denn trotz der gewundenen Durchgangsstraße im eichenbestandenen Hügelgelände am Meer ist der Überblick einwandfrei. Auf ihr fällt jedes Auto auf. Die Erbauer des weitläufigen, dicht bewachsenen Stadtteils achteten darauf, dass nur die eine vorgeschriebene Ausfallstraße direkt durchführt, und legten die privaten Wohnstraßen so kurvenreich an, dass sich Nichtortskundige garantiert verfahren. Deshalb bog ich beim Golfplatz ein und hielt erst mal, bis er um
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