Geier (German Edition)
die Kurve beim Reiterhof verschwand. Dann fuhr ich hinterher.
Von einem der Hügel aus sah ich, wie sein Auto in eine lange Einfahrt bog. Wir waren in der Nähe des alten Schah-Palastes – Reza Pahlevi hatte den höchsten Hügel dieses stadtinneren, dicht bewaldeten, einsamen Wohngebietes gekauft und darauf eine Palmenallee anlegen lassen, an deren Ende ein gewaltiger, weißer Marmorpalast entstand.
Der orientalisch anmutende Palast war noch nicht ganz fertig, als der Schah-in-Schah übernacht sein aufmüpfiges Volk verlassen musste. Nicht ohne eine goldbeladene Boeing vorauszuschicken, nicht ohne seine ganze erweiterte Familie hier angesiedelt zu haben, nebst Hofstaat und Dienerschaft. Der in die Wege geleitete Wohnortwechsel einiger Tausend Monarchisten hatte die Grundstückspreise Santa Barbaras in ungeahnte Höhen schnellen lassen, doch für den Mittelpunkt der Völkerwanderung kam alles zu spät; der Schah verlor fast gleichzeitig Land und Leben.
Mister Mannlich war zu einer der Schah-Villen unterwegs. Wieder hielt ich, was in Hope Ranch gar nicht so einfach ist – nach spätestens fünf Minuten steht ein Privatpolizist da und fragt höflich wohin, zu wem und warum.
Ich nahm die Kamera vom Rücksitz und spielte Tourist. Der private Streifenwagen, der bald darauf um die Ecke bog, verlangsamte seine Fahrt, und als ich den Mietcop hinterm Steuer freundlich angrinste und Julie ihm zuwinkte, nickte er nur und fuhr weiter.
Da schoss eine grellbunte Stichflamme über die Bäume der Villenauffahrt, ein gewaltiger Knall folgte, und eine ehemals graue Motorhaube flog in hohem Bogen über die grundstückseinfassende Hibiskushecke. Ich fuhr sofort los. Hinter mir kam der Streifenwagen mit Gelblicht und heulender Sirene angedonnert, überholte vor der Auffahrt und kreischte Richtung Rauchsäule. Ich hielt vorsichtshalber auf öffentlicher Straße.
Julie und ich liefen die fünfzig Meter bis zum lichterloh brennenden Auto. Der Rent-a-Cop brüllte in sein Handy und war hoffnungslos überfordert. Ich schnappte seinen Handfeuerlöscher und richtete den Strahl in die Flammen. Was ziemlich witzlos war. So, wie der Camaro brannte, kam keiner da raus.
Die richtige Polizei und zwei Löschfahrzeuge trafen innerhalb der nächsten Minuten ein, aber viel ausrichten konnten die auch nicht. So ein Auto brennt nicht lange – was brennen kann, verwandelt sich schnell in dunklen, stinkenden Rauch und herumfliegende Asche.
Das schwarze Blech knisterte und stank, und ich meinte, den Typ hinterm Lenkrad über verpufftem Lack und kokelndem Kunststoff riechen zu können.
Sie wollten wissen, was wir gesehen hatten. Wir sagten ihnen, dass wir nur den schönen Tag genießen wollten, von Pismo hergefahren waren um mal rauszukommen, und der Privatcop bestätigte, dass wir fleißig fotografierten, als er vorbei fuhr. Alles ganz harmlos, officer. Das war dem auch klar. Er glotzte auf Julies Bluse, dankte für unsere tatkräftige Löschhilfe, schrieb Julies Namen und Anschrift in sein Notizbuch und schlug vor, dass wir uns jetzt verpissen. Was wir auch taten.
Julie sagte auf dem Heimweg nicht viel, ich war in Gedanken versunken. Erst im Auto war mir aufgefallen, dass kein Nachbar zum Brand gekommen war, dass niemand aus Neugierde anhielt, dass nicht mal Kinder auf Fahrrädern aufgetaucht waren, die doch sonst immer sofort da sind. Nur einer von der örtlichen Zeitung war gekommen und hatte ein paar Fotos gemacht.
Seltsame Gegend. Man kann Diskretion auch übertreiben.
Mir war der Schrecken in die Knochen gefahren, und da dümpelte er nun. Ich wusste nicht, wie ich in die Geschichte reinpasste, aber ich wusste, dass sie für mich noch lange nicht vorbei war.
Man hat Ahnungen. Man sollte immer auf sie hören.
4 Dümpeln
Seit meiner frühen Kindheit, so ums erste Schuljahr herum, bin ich auf Surfen geeicht. Wie mein Alter selig, nur nicht wie er Konvertit, sondern Natursurfer. Vielleicht weil ich am Strand aufgewachsen bin, vielleicht weil die großen Brüder meiner Freunde alle surften, vielleicht auch um meinem Vater zu gefallen, ihm nachzueifern, von ihm gelobt zu werden. Wer weiß. Jedenfalls meinten die Leute damals, mir würden Flossen wachsen, falls ich so weitermache.
Pismo ist aber auch wie geschaffen fürs kalifornische Strandleben. Durch die Landzunge am nördlichen Ende der Bucht bekommt die Dünung einen Linksdrall, und der Wind, der von Alaska herunter bläst, wird kurz vorm Landfall
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