Geier (German Edition)
meinen Rucksack, warf einige Papiere dazu und verstaute den Laptop in seiner Reisetasche. Telefon, Geld, Kreditkarten, die neuen Personalpapiere – alles dabei. Ignacio klopfte und kam herein.
“Ich fahre zu Misty. Bin morgen Nachmittag oder Abend wieder hier. Soll ich ihr was ausrichten?”
“Sage ihr, dass ich ihr die Daumen drücke. Ich habe vorhin noch mit Sammy gesprochen, und es sieht ja alles recht ordentlich aus. So wie er´s erzählt, jedenfalls.”
“Will er nicht bald katholisch werden?”
“Probiere ich schon seit Jahren, aber Sammy ist ein harter Fall. Der will nicht, und ich meine, das sei gut so. Denn Sammy ist trotz seines Berufes ein ehrlicher Kerl, ein rechtschaffener Mensch, und ein guter dazu.“ Hat er sich wohl nicht verkneifen können, das „trotz seines Berufes“; zwischen Bullen und Rechtsverdrehern ist ja wenig Liebe zu finden. „Da ist egal, in welche Religion jemand hineingeboren wurde. Wenn das Menschliche stimmt, ist jeder Glaube in Ordnung. Sogar Atheisten haben eine Daseinsberechtigung.” War wohl auf mich gemünzt.
Aber es stimmte schon, was der Padre sagte. Den Eindruck hatte ich auch vom Sam. Ich hoffte, dass wir uns kurz sehen konnten. Ich hatte noch einige Fragen an ihn, und über einen Tisch hinweg verstand man sich viel klarer als elektronisch.
Ich donnerte also los, über Ventura und Simi Valley, durch Mojave nach Barstow, wo ich meinen Jeep abstellte und einen ziemlich neuen mietete. Sahara hieß das Ding, war natürlich sandfarben und lief wie der Teufel. Automatikgetriebe, Servolenkung und Power Brakes, jeder Komfort. Sogar Fenster hatte das Luxusauto, welche zum Hochkurbeln. Der höchste Komfort. Die fünfzig Dollar pro Tag war´s mir wert, unauffällig durch die Gegend zu sausen. Ich fürchtete, dass zu viele Leute hier oben Mistys alten Jeep kannten.
Hat Spaß gemacht, plötzlich quer über den kaum befahrenen Freeway zu brummen und ohne Übergang im Gelände zu sein. Da bin ich vor ein paar Tagen hochgebraust, nun fuhr ich die entgegengesetzte Richtung.
Halb fünf war es, noch eine gute Stunde ehe Misty auftauchte. Ich wollte die Zeit nutzen, ganz sicher zu sein, dass niemand uns überraschen wollte. Ich fuhr also den Jeep unter einen auch aus der Nähe nur schwer auszumachenden Gesteinsvorsprung, ließ ihn im Schatten des Berges stehen und schleppte mein Zeug die dreihundert Meter bis zum Eingang des Slot Canyon.
Kein Mensch schien in der Nähe zu sein, weder in der weitläufigen Wüste noch im Canyon. Ich ging so weit hinein, wie ich nur konnte, aber niemand war zu sehen, zu hören, oder zu riechen. Wer hier in der Wüste rauchte, fiel sofort auf. Das hatte ich bei meinem letzten Besuch festgestellt, als Misty auf einmal abhaute. Ich roch ihre Zigarette, obwohl sie sicher einen Viertelkilometer von mir entfernt war.
Nichts, also. Die Armbanduhr zeigte Viertel nach fünf, als ich meinen Computer anwarf, und fünf Minuten später rief ich Sammy an.
“Können wir uns morgen Vormittag treffen?”
“Klar. Sag mir wo, und ich komme hin.”
“Wie wär´s halbwegs? Wo ich mein schwarzes Auto gekauft habe und dann noch vierzig Meilen. Die Oase.”
“Ich fahre früh weg. Ist halb sieben zu früh?”
“Halb sieben in der Oase.”
Also abgemacht. Bis zur neuen Tankstelle in Fenner war es etwas über eine Stunde von Misty aus. Wenn ich um fünf wegfuhr, hatte ich genügend Zeit, die Umgebung der Raststätte zu erkunden.
Ich schaute wieder nach, ob unsere Konten in Ordnung waren. Natürlich waren sie es.
Gute zehn Minuten lang beobachtete ich Misty. Sie stapfte wie ein Wüstenkämpfer durch den Sand, ohne sich umzuschauen, verbissen. Das musste man ihr lassen; sie war zielstrebig. Entschlossen. Sie war hart. Am Gang wurde es schon deutlich, an diesem schnurgeraden, durch nichts vom Weg abzubringenden Gang. Ich freute mich auf sie.
Und sie sich auf mich. Wir schafften es nicht mal zu meiner kleinen vorbereiteten Stelle im weichen, noch warmen Sand. Sie zog mich aus, während ich tapsig an ihrer Kleidung herumfummelte. Dann begrüßten wir uns erst mal richtig.
35 Sammys Problem
Es wurde langsam kühl, als wir wieder Vernunft annahmen. So alt und noch so verspielt. Es war schön, nackt im Sand herumzuliegen, sich vom Wüstenwind streicheln und einfach gehen zu lassen. Schön, und viel zu selten.
“Misty, wenn diese Woche alles klappt, dann können wir das hier ein Leben lang machen.”
Sie schaute schon wieder düster.
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