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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Sequoien rochen nach Unberührtheit, ihre Wipfel unter uns wogten in der Meeresbrise, der Boden, auf dem sie wuchsen ein dichter, flauschiger Teppich. Seit dem letzten Waldbrand vor über dreißig Jahren hatte sich eine tiefe Schicht gefallener Nadeln gebildet, eine nachgiebige, geräuschdämpfende Masse. Niedriges Gebüsch und grellgrünes Kraut kämpften um jedes bisschen Sonnenlicht, das durch die dichten Riesenbaumkronen filterte. Am östlichen Ende der Lichtung äste ein Reh. Der reine Disneyfilm.
     
    Ich blickte zurück und sah Johns Haus, von hier aus winzig, mit einem Dach, das Teil der Landschaft schien. Seine verwitterten Holzschindeln passten sich der Umgebung an – die kalifornische Sonne bleicht alles aus, verdampft überall den letzten Tropfen Feuchtigkeit, wandelt Frühlingsgrün in Sommerbraun und Herbstgrau. Nur im dichten Wald grünte der Staat, nur im tiefen Schatten fanden Jahreszeiten statt. Vor November würde es nicht nennenswert regnen. Wenn wir Pech hatten, kam der Regen erst im Januar.
     
    Ein Schmetterling flatterte vor mir auf. Ich fuhr erschrocken zurück. John sah es und zog die Augenbrauen hoch. Er setzte sich auf einen flachen Felsen, ich ließ mich vor ihm auf die Erde plumpsen.
    „Ich habe einen Vorschlag – ich lasse Aaron auf die Schnelle eine Solo-Nachtklubtournee organisieren und du kommst mit und machst Sound. Nur wir beide – wär das nichts?“
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Nett von ihm, klar, aber ich hatte nicht viel Lust, mich davonzuschleichen. Andererseits wäre eine längere Pause vielleicht ganz gesund. Eine, während der mich garantiert keiner findet.
    „Ich würde am liebsten in den Caddy steigen und einfach mal ein paar Wochen nach Mexiko runter, oder rüber nach Key West“, sagte ich. Er nickte.
    „Wir müssen hier weg. Schau an, wie verrückt wir uns schon selber machen. Reden kaum noch, weil wir beide Angst haben, dass einer mithört. Fahren nicht nach Carmel zum Einkaufen, weil wir meinen, einer sieht dich. Fehlt nur noch, dass ich mir ein Postfach miete, damit der Briefträger nicht mehr aufs Grundstück kommt.“ Er meinte es ernst. Recht hatte er. So ging´s nicht weiter, und ich zog ihn noch mit in die Scheiße.
    Also: „Machen wir. Gehen wir auf Tournee. Wie früher, was?“ Damals hatte ich meine Tontechnikkenntnisse einsetzen können. Habe ihn und die Gruppe öfter wochenlang begleitet, habe als Hilfsmacker beim Ton geholfen, war gelegentlich Roadie und habe nebenher immer dafür gesorgt, dass die Jungs happy blieben. Verbindungen hatte ich jede Menge. Gab keinen Dealer zwischen der Küste und Florida, den ich nicht kannte. Heute war ich aus der Szene raus, aber dafür hatte ich von Tontechnik, von Beschallung viel mehr Ahnung.
     
    Er meinte auch, dass die drei Drogencops Dreck am Stecken hatten. Er hatte überlegt, was ich ihm erzählte, hatte es gewendet und gedreht und war felsenfest davon überzeugt, dass sie mit den Gangstern unter einer Decke steckten. Wir konnten uns also unmöglich an die Bullen wenden. Ich war auf mich allein gestellt.
    Curtie fehlte übrigens noch immer. Am Abend zuvor kam eine erste Fernsehstory in den Nachrichten, aber es hörte sich eher an, als sei der stadtbekannte Anwalt und Lebemann – das las der Schönling tatsächlich vor, Lebemann, ohne mit der Wimper zu zucken – der stadtbekannte Anwalt und Lebemann auf Freiersfüßen und habe einfach vergessen, zu Hause anzurufen. Ich staunte über die oberflächliche Dämlichkeit der Fernsehnachrichtenfritzen.
     
    Am Abend ließ ich die Harley wieder mal an und brachte sie den Bergweg hoch, in die alte Scheune, die einer der Vorbesitzer vor Ewigkeiten fürs Vieh gebaut hat und in der John seinen Sperrmüll aufbewahrte. Ein toter Traktor stand neben alten Waschzubern, zu Schemeln umgedrehten Melkeimern und einem übermannshohen Blechschild, dessen brennlackierte Aufschrift eine längst pleitegegangene Kautabakmarke empfahl.
    Dahinter befand sich eine komplette Tonstudioeinrichtung aus den Vierzigern, mit hellgrauen gerundeten Blechkanten und schwarzen Drehschaltern aus Bakelit statt Schiebern aus Stahl und Plastik. Er hatte das Zeug hier hochgeschleppt, weil er gelegentlich völlige Einsamkeit braucht. Und konnte hier, wenn´s ihm danach war, stundenlang sitzen und spielen.
    Ein durch massive Glaswände gegen die Witterung abgeschirmtes Zimmerchen schützte die Technik, im zugigen Teil der Scheune saß der Kreative und spielte irgendeines seiner vielen

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