Geier (German Edition)
umzieht. Die alten Säcke mit ihren karierten Golfhosen. Wo sich schon lange nichts mehr rührt, Karo oder nicht.“ Sie grinste wieder. Ich fand sie trotz allem herzig.
Wie kam ich außerdem dazu, richten zu wollen? Ich hatte ja nun weiß Gott genügend Mist ausgefressen, und die Scheiße, in der ich jetzt steckte, war ja alles andere als moralisch einwandfrei abgelaufen. Von den Plänen, die Rick und ich gefasst hatten, ganz zu schweigen. War eben nur eine Überraschung. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich so schnell im Puffmilieu wiederfinden würde.
Der Abend war wunderschön – die Tageshitze verflogen, vom Kasinoviertel her strahlte buntes Neon, was der ganzen Stadt einen sauberen Glanz verlieh, und die Golffanatiker hatten ihre Links beleuchtet, damit niemand bei Anbruch der Dunkelheit schon nach Hause musste. Die Unentwegten schleppten sich von Loch zu Loch, was in mir gewisse Parallelen zu Mistys Betrieb weckte, die ganz Verbissenen rasten mit ihren Elektrocabrios von Schlag zu Schlag und die Dreier- und Vierergruppen der Gelegenheitsspieler fanden es an der Zeit, die Flachmänner vorzuholen.
Interessant. Ich hatte mich noch nie lange an Golfplätzen aufgehalten. War mal was Neues. Bisher kannte ich den Betrieb nur vom Golfplatz hinter meiner Mobilbude in Striker, und mit denen hatte ich nur Ärger, solange sie da waren. Fünf oder sechs Jahre erst, und schon vor dem ersten Spatenstich hatten sie versucht, mich aus meiner Bude zu ekeln. Ich konnte mit den Geschniegelten einfach nicht, und ich wollte auch nicht. Pack, eingebildetes.
Die ersten Jahre war ja die Hecke, die sie gepflanzt hatten, noch ziemlich niedrig, und ich konnte von meinem Wohnzimmerfenster zum Golfplatz rübergucken. Aber seit die Büsche ausgewachsen waren konnte ich nichts mehr sehen, und seit sie auf ihrer Seite der Grundstücksgrenze einen Drahtzaun gezogen hatten, konnte ich auch nicht mehr einfach mit meiner Decke und einem Buch auf ihren Rasen und mich sonnen. Deshalb das Loch im Zaun.
War nicht schwierig – eine scharfe Zange und zehn Minuten Anstrengung. Die Büsche verdeckten das Loch, also wussten die Obergolfer nichts davon. Aber der Spaß war futsch – seit einiger Zeit hatte ich das Loch nur als Abkürzung nach Pismo benutzt. Kein Ganzkörpersonnen mehr.
Ich mag keine alten Golfer. Sträuben sich mir die Rückenhaare.
Wir gingen untergehakt die Straße entlang, bis wir zum Klubgebäude kamen. „Wollen wir auf einen Drink reingehen?“ schlug sie vor. Da sage ich nicht nein. Also spazierten wir durchs Foyer des noblen Vereinsheims, immer den aufgemalten, fingerzeigenden Händen nach, auf deren Handgelenk BAR stand.
Als wir die Kneipe betraten, sackte die Temperatur des Raumes schlagartig in Richtung Vereisung ab. Einige der Herren sahen uns so böse an, dass Umkehren vielleicht angesagt wäre, aber das kam nicht infrage. Im Gegenteil. Sie spazierte freundlich grüßend durch den Trinkerspalier, ich hinterher. Wir setzten uns an die Bar und bestellten Bier.
„Zwei Bier. Kommt sofort“, nuschelte der uralte Keeper und lächelte verbindlich. Entweder war der schon so hirnweich, dass ihm nichts auffiel, oder der Opa war echt locker. Als er unser Bier hinstellte, wünschte er uns in die Stille hinein mit überlauter Stimme Cheers. Wir dankten und setzten an. Da begann die Konversation wieder, als sei nichts gewesen.
„Ist immer so“, sagte sie. „Die müssen einfach zeigen, dass sie ehrbare Bürger sind. Siehst du den da drüben, den im Nadelstreifen?“ Sie deutete mit den Augen auf einen Weißhaarigen, der betont wegschaute. „Der hat uns einen Scheck über vierhundert Dollar gegeben, der gestern von seiner Bank wegen mangelnder Deckung zurückkam. Meinst du, der hält das Maul und schämt sich? Kein bisschen. Wenn ich den drauf anspreche, behauptet der noch frech, den Scheck wegen Unsittlichkeit gesperrt zu haben. So sind sie. Da muss man sich gar nicht aufregen.“
Ihr schmeckte das Bier. Warum nicht, dachte ich, und bestellte gleich noch mal zwei.
Wir verbrachten den Rest des Abends in trauter Zweisamkeit. Ihre „Pension“ war gar nicht so ein Taubenschlag wie ich befürchtet hatte. Sehr dezent läutete gelegentlich das Türglöckchen, es wurde begrüßt, ein Paar stieg die Treppe hoch und eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Mehr hörten wir nicht.
Sie habe nur vier Zimmer vermietet, meinte Misty in einer unserer Pausen, weshalb das Haus ein recht ruhiger Betrieb sei.
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