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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Stunden auf dem Highway, und kam am Ende eines großen Kreises irgendwann am Spätnachmittag zum Davis Dam. Da hielt ich, stieg aus, ging über den Parkplatz zum Lake Mohave hinunter, den der abermals gestaute Colorado River hier bildet, und setzte mich ans Ufer.
    Der Tag war ideal. Sonne, keine Wolke, wenig Verkehr für diese Jahreszeit, und aus dem Norden blies eine leichte Brise, die etwas Abkühlung brachte. Boote waren auf dem See, Familien hatten auf dem Campingplatz nebenan Zelte aufgeschlagen, und ein paar Radios, alle denselben Countrymusiksender dudelnd, verscheuchten die Vögel.
     
    Ich hatte die letzten Tage über meine Situation, über mein Leben nachgedacht, und war zu keinem Ergebnis gekommen. Ich fühlte mich wie auf einem Plateau. Da war es nun, mein Dasein, vor mir ausgepackt und auf dem Boden ausgebreitet. Keine nennenswerte Habe, kein Beruf, mit dem ich etwas anfangen konnte. Kein Einkommen, weil die Sendung kaputt und die Show mit Dickies Tod erloschen war.
    Zum Glück hatte ich keine fordernde Familie, aber auch keine Ruhe, kein Frieden. Keine Aussicht auf eine friedliche, sorgenfreie Zukunft – auch wenn unser Plan klappte, würde ich zeitlebens über die Schulter schauen müssen. Und nun eine Freundin, deren Beruf das Vermitteln von Quickies war.
    Andererseits hatte ich schon seit einigen Wochen keine Langeweile mehr. Und wenn ich eine Lebensdauer anstrebte, die sich nach Jahren statt Tagen messen ließ, würde ich automatisch wohlhabend. Denn wenn ich mir die Geier vom Hals schaffen wollte, würde ich mir ihr Geld aneignen müssen. So war das nunmal. Ohne das eine gab es das andere nicht – das ging Hand in Hand. Was bei Licht betrachtet recht positiv war.
     
    Ich saß also da und dachte. Keine einfache Sache, wie man weiß. Sonst würde man das viel öfter tun. Nicht nur, wenn´s klemmt.
     
    Um halb acht war ich wieder im Puff. Naja, zu Hause. Misty war ganz aufgeregt – ich hatte vom Lake Mohave aus angerufen und sie beruhigt, dass alles klar sei, was sie „sagenhaft“ fand, dass ich so an sie denke. Wir aßen und gingen anschließend wieder spazieren. Allerdings hatte ich heute keine Lust, die Golfer-Spießrute noch mal zu laufen. Also marschierten wir übers Feld, folgten der Flussbiegung und schlenderten langsam wieder zurück. Sie wollte unbedingt nachher noch ins Kasino und ein bisschen spielen. Ich hatte dazu überhaupt keine Lust, versprach aber, mitzukommen.
     
    Während wir am Flussufer herumspazierten, erzählte sie aus ihrem Leben. Aus Kansas stammte sie, aus der Kleinstadt. Vater Friseur, Mutter Hausfrau, Misty Einzelkind. Was wohl drei Jahre klappte. Bis sich der Friseur sagte, dass am Leben mehr dran sein muss und sich mit einer Kollegin absetzte. Übernacht. Sie hörten nie wieder von ihm, allerdings viel später über ihn.
    Die Mutter bekochte also den ersten einer ganzen Reihe von Witwern, muckte nicht auf, wenn der jeweilige Herr mehr wollte als nur regelmäßige Mahlzeiten und gebügelte Hemden, und sagte auch nichts, als Misty allmählich mit Hand anlegen musste. Im zarten Alter von zwölf.
    Sie brannte mit vierzehn durch. Nicht etwa allein, sondern mit ihrem Englischlehrer. Bei dem hatte sie, wie sich´s herausstellte, nicht nur die Schulbank gedrückt.
    Die zwei wurden nach einer Woche im Nachbarstaat Missouri gefasst, der Lehrer wegen der strafverschärfenden Verschleppung einer Minderjährigen über die Staatsgrenze zum Zwecke der unerlaubten sexuellen Handlung zu zwanzig Jährchen im Horrorknast Leavenworth verdonnert – eine lange Zeit, die er allerdings dadurch erheblich abkürzte, dass er nach wiederholter Vergewaltigung durch die Zellengenossen seine Bettdecke in feine Streifen zerriss, zu einem langen Zopf flocht und sich damit an den äußerst stabilen Gitterstäben des winzigen Zellenfensters aufhängte.
    Klar war, dass ihn einer dort hochgehoben haben muss, aber die fünf Mitgefangenen in der Zweimannzelle hatten fest geschlafen, als sich die Tragödie abspielte. Also verlief die entsprechende Untersuchung im Sand.
    Die missbrauchte Misty wurde ihrer Mutter und deren derzeitigem Arbeitgeber zurückgegeben, was sie veranlasste, sofort wieder abzuhauen. Diesmal mit einem Reisenden in Friseurbedarf, wodurch sich der Kreis einigermaßen schloss. Der Vertreter kannte nämlich den Herrn Erzeuger meiner Misty, wollte aber nicht unbedingt preisgeben wo der sich zurzeit aufhielt. Vermutlich, weil er wusste, dass er dann nichts Minderjähriges mehr zu mausen

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