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Geier (German Edition)

Geier (German Edition)

Titel: Geier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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zu viele Fallgruben den armen Rolls rattern und plumpsen. Mir tat das richtig körperlich weh. Ich war froh, als die ersten, ärmlichen Bretterbuden auftauchten, die anzeigten, dass wir angekommen waren.
    Sie ist malerisch, die kleine Ortschaft mitten in der Wildnis der Black Mountains, wenn Verfall malerisch ist. Ihre Häuser erzählen noch immer vom Schicksal der Menschen, die sie einst erbauten und bewohnten. Mit wenigen Ausnahmen sind es primitive, zusammengenagelte Unterkünfte, die ihren Besitzer vor dem schlimmsten Unwetter schützten. Einige der besseren, festeren Häuser gehörten Bergwerksleitern, Ingenieuren oder Kaufleuten, die in diesem unzugänglichen Wüstengebirge die Suche nach dem Gold leiteten und entsprechend verdienten.
    Dass Gold gefunden wurde, ist hinreichend dokumentiert. Im Rekordjahr 1936 gab der Berg 48.000 Unzen Feingold her. Dass gewaltige Vermögen unterirdisch schlummern und nur auf den Glückspilz warten, der sie findet, das weiß in Oatman jeder. Jeder hat seinen Claim irgendwo abgesteckt.
    Der Besitzer des Oatman Hotel geht nicht mit dem Pickel auf Goldsuche. Er hat seine eigene Goldquelle unter den Füßen. Das einzige Hotel weit und breit wurde 1939 übernacht berühmt, als Hollywoodstars Clark Gable und seine Frischangetraute Carole Lombard hier ihre Flitterwochen verbrachten.
    Sie flohen vor frühen Paparazzi, suchten Anonymität, und sie fanden sie bei den harten Glücksrittern der Black Mountains. Die hatten zwar keine Ahnung, wer die beiden Geschniegelten mit dem teuren Auto waren, aber die Hübsche nötigte ihnen Respekt ab. Denn die fluchte wie ein Matrose.
    Hurensöhne wurden sie mit einem süßen Lächeln gerufen, und den alten Sourdough Harry hatte sie mit lauter Stimme auf offener Straße aufgefordert, sich selbst in den Arsch zu ficken, als Harry ihr einen ungebührlichen Antrag machte. Jedes zweite Wort war bei ihr entweder Arsch oder Ficken, und so was imponierte mächtig.
    Dass Carole wegen ihres frechen, ungewaschenen Mauls in Hollywood regelrecht gemieden wurde, wussten sie nicht, und es hätte sie auch gewundert. Wo sie solch sagenhafte Ausdrücke kannte, von denen einige sogar hier noch nie gehört wurden.
    Vom alten Ruhm lebte das Hotel noch immer. Eine Hochzeitssuite mit Fotos der beiden Erfolgsmenschen stand Jungvermählten zur Verfügung, das Hotel bot ein Lombard-Gable Wochenende für Filmfans, die das Erlebnis nachempfinden wollten, und alle sieben Gästezimmer waren immer vorbestellt. Ansonsten war in Oatman der Hund begraben. Der Kojote.
    Das einzige Restaurant des Dorfes war im vorigen Dezember abgebrannt, und trotz des sofortigen Einspringens einiger seiner Bürger in die frei gewordene Bewirtungslücke war das Angebot dürftig, die Qualität der neuen Küchen unter aller Kanone. Zum Glück hatte ich keinen großen Hunger.
     
    Wir spazierten an Holzhütten vorbei, schauten uns die Esel und ihre menschlichen Gegenstücke an, bestaunten die vielen Europäer, die dieses Fleckchen wiederentdeckten, das Amerika schon lange unter den Teppich gekehrt hatte, und wir kauften T-Shirts mit Eseln und dem Route 66 Straßenschild auf der Brust. Dann fuhren wir eine Meile den Berg hoch, um eines der letzten noch aktiven Goldbergwerke von innen zu sehen.
    Der Blick vom Stolleneingang der Gold Road Mine ist überwältigend. Weit über die Kette der Black Mountains schaut man, am Horizont glitzert der Colorado River in der Sonne. Hier wird deutlich, wie einsam der Beruf des Goldsuchers war. Denn außer wilden Tieren bewegt sich freiwillig nichts in dieser Glut.
    Die gezackten Berggipfel in mittlerer Entfernung lassen den Gedanken an Mondlandschaft aufkommen, die quer gestreiften Sandsteinberge im Hintergrund rufen die genetische Erinnerung an Sintfluten wach, und ein Schauer des Entsetzens überzieht selbst den, der vollständig im Heute lebt. Einsamkeit ist manchmal heilsam, perspektivlose Einsamkeit kann nur zur Verblödung führen.
     
    Wir kamen spät zurück. Es war doch ein recht informativer, lustiger Tag geworden. Ich hatte schon lange nicht mehr Tourist gespielt. War prima. Es verdrängte die ewigen Gedanken an Schuld und Sühne, an den Tod.
     
    Misty saß mit vier außerordentlich hübschen Damen beim Abendmahl, als wir in die Küche traten. Die jungen Frauen sprangen auf und liefen zu Winston, der sie lachend abwehrte. Offenbar war man gut bekannt. Er stellte vor, während mich eine böse Ahnung beschlich. Ging hier alles mit rechten, mit legalen Dingen zu?

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