Geier (German Edition)
an und legte erst mal wieder los. Information ist alles. Was haben wir nur ohne Internet gemacht? Ich surfte einige Stunden, las erst mal wieder meine heimatlichen Tageszeitungen, die alle mit einer Ausgabe im Web sind. Und dort erfuhr ich, dass Curt gefunden wurde. Als sein Motorboot auf hoher See treibend entdeckt und umgedreht wurde, kam Curtie zum Vorschein. Angeknabbert, kaum erkennbar, saß er auf seinen Fahrersitz geschnallt. Konnte sich wohl nicht retten, als das Boot umkippte. Meinte der Zeitungsschreiber. Ich hätte jede Wette gemacht, dass irgendwo im Curt ein großkalibriges Stück Blei steckte.
Sie hatten ihn tags zuvor, am Mittwoch, begraben.
Mir war nach einem Bier, damit meine Hände nicht so zitterten. Das erste trank ich in der Küche, das zweite und dritte auch. Wonach es mir wohler war.
Ich konnte nichts machen. Ich konnte nichtmal die Vorzimmer-Florence im Sender anrufen und fragen – die hielt mich auch für tot, und wenn die jetzt von mir hört, ruft die sofort die Bullen an. Zum Verzweifeln. Andererseits hätte ich auch nichts Neues erfahren können. Dass Curt tot war, dass er nie wieder kleine Blondinen in Supermärkten anmachen würde, war Tatsache. Alles andere war Spekulation. Wer, wie, warum – ich konnte mir zwar meinen Teil denken, aber kein Cop würde auch nur zuhören, bis ich ausspekuliert hatte. Also lassen wir´s.
Curtie tat mir wahnsinnig leid. Aber ich musste mein altes Leben ad acta legen und mich um meine Zukunft kümmern. Also gezielt ins Internet.
Ich musste herausbekommen, was der Restauranteur im Santa Maria Valley für einer war. Also tippte ich erst mal „Stage Coach Inn“ in die Suchmaschine und setzte noch ein +Santa Maria dazu. Siebenundzwanzig Seiten wurden angezeigt. Ich begann mit der ersten und arbeitete mich bis zur letzten durch.
Die Kneipe war wirklich fein. Zwar nicht mein Stil – zu nobel – aber schick. Einige arschkriecherische Kritiken las ich, aus der Los Angeles Times ebenso wie dem New Yorker und dem Societyblatt Conde Nast Traveler. Die Edelkneipe hatte ihr Menü im Internet, mit dem Zusatz, dass elektronische Tischbestellungen vorrangig behandelt würden. Über das Besitzerehepaar Moreno gab es eine lobhudelnde Story.
Aus kleinen Anfängen, schrieb die „Wine and Gourmet“, hatten Jeff und Suzanne Moreno eines der besten kalifornischen Restaurants geschaffen. Mit vorzüglicher Küche, Wein aus eigenem Anbau und einer Lage, deren Attraktivität nichts zu wünschen übrig lasse. Dem Autor war keine Huldigung fremd; das Traktätchen las sich, als habe Jeff das Kochen erfunden.
Kein Wort über sonstigen Nebenerwerb auf dem Hof. Ich suchte unter „Jeff Moreno Santa Barbara“ und fand eine wahre Goldgrube. Der Küchenmeister hatte offenbar ein einträgliches Hobby; er gründete Firmen. Allein im Handelsregister des Landkreises Santa Barbara waren sechs verschiedene Firmen eingetragen, bei deren Gründung oder Führung Jeff eine Rolle spielte. Aufschlussreiche Einzelheiten waren auf dem Bildschirm zu erfahren. Man muss wirklich nur suchen.
Vom Weinanbau und dem Gaststättenbetrieb, inzwischen bekannt, über eine Immobilienfirma und ein Transportunternehmen bis hin zur Pfandleihe reichten die Interessen des Koches. Und natürlich die Dachfirma, die Betreiberfirma, die sich zur Aufgabe machte, Tochterfirmen zu gründen und zu leiten. Da war alles möglich. So unübersichtlich, wie das Imperium auch auf den zweiten Blick erschien, eigneten sich die verzweigten Geschäftchen vorzüglich als Geldvermehrungs- und Geldwaschanlagen.
Ich blieb gute vier Stunden dran, fand aber sonst nichts Aufregendes. Ein paar Links, die zu Geschäftsfreunden des Businesskoches führten, deren Handels- und Industriezweige; ganz interessant, aber im Prinzip nur was für Betriebswirte, die sich an solchen Verästelungen aufgeilen. Ich sah ein, dass meine Möglichkeiten erschöpft waren. Also kopierte ich die wichtigsten Webadressen und schickte sie über meinen Drahtlosserver an Rick. Dann ging ich ins Bett, sehr zur Freude meiner Buhle, die das schon seit Stunden forderte.
Ich weiß nicht, aber ich glaube ich werde alt. Ich kann zwar noch – sogar auf Kommando, wenn´s denn sein muss – aber ich spürte zwischendurch ein Abschlaffen, das mir neu war. Wird sich doch nicht der gefürchtete Altershänger einstellen? Ich gab mich müder, als ich war, und drehte mich auf die Seite. Minuten später war ich tatsächlich eingeschlafen.
Am nächsten
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