Geier (German Edition)
ohne Bild kein Geld.
Misty war herangekommen und wusste Abhilfe. „Mach ein Foto von mir mit der Kohle. Ich bin eh schöner als er“, meinte sie, und das Männlein war zufrieden. Also holten wir den Gewinn, Misty ließ sich mit übergroßem Scheck, den beiden Brechern und dem Buchhalter fotografieren, und ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus.
„Fünf Mille, stell dir vor“, aber Misty war nicht sonderlich beeindruckt. Davon, dass ich gewonnen hatte schon, aber nicht von der Zahl. „Für mich ist das ein Vermögen“, sagte ich ihr. „Du weißt, dass ich fast blank bin. Und von dir will ich nicht dauernd was nehmen.“
„Und warum nicht? Ist dir mein Geld doch nicht sauber genug, was? Hast du doch was zu meckern über mein Geschäft, oder?“ Sie war wieder mal auf Hundert.
Nee, nee, nur will man lieber sein eigenes Geld, was sie am Ende auch verstand. Sie wollte weiterzocken, aber ich war fürs Heimgehen. Zumal sich das unverhoffte Glück auf meine Libido durchschlug.
Als ich ihr das sagte, nahm sie ihren Gewinn vom Tisch, warf dem Spielleiter ein paar bunte Jetons zu und hakte sich bei mir unter. Schönen Abend noch!
18 Sammy
Mein unverschämtes Glück wurde mir erst am Donnerstagmorgen richtig bewusst. Was für ein Schwein ich hatte! Obwohl Misty nicht begeistert war. Ihr wäre lieber gewesen, ich hätte mich weiterhin von ihr aushalten lassen, glaube ich.
Sie brachte den Scheck zu ihrer Bank und holte mir dafür Bares. Das ich einsteckte und sie einlud, mit mir nach Needles zu fahren. Ich wollte mir mit meiner neuen Kohle ein paar schicke Schuhe und Hemden und noch einige Notwendigkeiten kaufen.
Aber Winston hatte eine bessere Idee. „Fahrt doch mit dem Schnellboot nach Lake Havasu. Da ist die Auswahl viel besser. Und dort wird sich niemand an dich erinnern, zumal du ja bar zahlst. Bei dem Trubel dort unten bist du in zehn Minuten vergessen, während sie sich in einem Kaff wie Needles noch nach Jahren an dich erinnern.“
Stimmt. Weshalb er ja den Caddy gekauft und auf Misty zugelassen hatte. Ich war nur der „sachkundige Freund“, den jeder Gebrauchtwagenkäufer mit anschleppt.
Wir stiegen also beim Pioneer Casino aufs Schnellboot und waren eineinhalb Stunden später in Havasu. Sechzig Meilen Colorado River – hüfttief, breit und umwerfend schön. An Needles vorbei, das vom Fluss aus noch ärmlicher aussah als von der Straße, durch die Topock Gorge, deren dunkle Steilwände dem Colorado eine Wespentaille verpassen, durch die liebliche Landschaft der Sonoran Desert und endlich von den kabbeligen Wellen des Lake Havasu gründlich durchgeschüttelt.
Direkt vor der London Bridge legten wir an, vor der echten Brücke aus dem London Bridge is falling down-Kinderreim, die der Erbauer der Stadt Lake Havasu seinen britischen Kollegen billig abkaufte, abreißen ließ und hier in der Wüste wieder original aufbaute. Auf Sand, auf trockenem Wüstenboden. Und als die London Bridge wieder komplett war, baggerte der Millionär eine brückenbreite Rinne vom Colorado River, der fortan den Kanal speiste, der Brücke die Daseinsberechtigung gab und dessen Wasser anschließend wieder auf den Colorado traf.
Lauter Verrückte in der abtrünnigen Kolonie, werden sich die Engländer gedacht haben, lauter Spinner, aber als der Ami sein spottbillig gekauftes Wüstenareal als Ufergrundstücke „mit Blick auf London Bridge“ mit gewaltigem Gewinn verscherbelt hatte, lachte er am lautesten. Und recht anhaltend, stelle ich mir vor.
Wir verbrachten den Tag in Lake Havasu. Wo vor wenigen Jahren nur eine Brücke stand, stehen heute Häuser für fünfzigtausend Menschen. Der Ort ist bei RV-Enthusiasten und Ruheständlern, Wassersportlern und Ganzjahrestouristen so beliebt, dass jährlich eine Million Besucher kommen. Und das, obwohl die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur im Juni bei 44 Grad Celsius liegt, Juli und August noch heißer sind und erst der September wieder auf fast erträgliche 42 zurückgeht. Zum Glück ist es staubtrockene Hitze. Feuchtigkeit würde die Leute garen.
Mir gefiel diese flippige Stadt, die aus dem Nichts entstand. So was mag ich, solch große Träume, die dann auch noch wahr werden. Als wir über den See donnerten, schaute ich zurück und staunte wieder, dass dort eine Brücke stand, die in London groß geworden ist. Sachen gibt´s!
Karl hatte einen zusätzlichen Breitbandanschluss aktivieren lassen. Ich schloss meinen Laptop-Computer über WLAN
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