Geier (German Edition)
Rein. Raus. Jede Viertelstunde.
Bis halb acht zählte ich einundzwanzig Autos. Zwischendurch war wieder mal Pause, immer zu der Zeit, da auch im Restaurant Flaute war. Die hatten ihren Verkehr auf die Stoßzeiten des Küchenbetriebes abgestimmt. Eindeutig. Also war das Gebäude im Wirtschaftsteil des Hofes nicht nur zufällig Drogenumschlagsplatz, sondern der Kneipier steuerte beide Geschäfte.
Ich stieg von meiner Warte herunter, zum wievielten Male heute weiß ich gar nicht, denn der Hintern schläft beim Baumsitzen ein. Unweigerlich. Und nur durch emsiges auf- und abhüpfen fließt das Blut wieder. Der Caddy war noch heiß von der Tagesglut, und ich schaltete erst mal Airconditioning ein, damit das lederbezogene Innere einigermaßen erträglich wurde. Inzwischen holte ich meinen Laptop aus dem Kofferraum und ging ins Internet.
Ich suchte Jeff Moreno, und ich fand ihn. Die Webseiten seines Restaurants, natürlich, und die verschiedenen Firmeneinträge, die ich ja schon kannte. Aber ich wollte ein Foto, was ich der Suchmaschine auch eingab, und ein hervorragendes Zeitungsfoto belohnte meine Mühe.
Ein gut aussehender Mittdreißiger, sagenhaft geschnittener Anzug, strahlendes Lächeln, für das er allein einen meiner Jahreslöhne hingelegt hat, und eine schicke, moderne Superkurzfrisur. Passte auch zur Mister Universum-Figur, zum gewaltigen Oberkörper und den Ärmel füllenden Bizeps. Mein Totengräber. Mein Wixheld. Mein Moneyman. Dachte ich´s mir doch.
Nun gut. Ich würde mich morgen mit Rick treffen und einen genauen Plan ausarbeiten. Einen Plan, wie wir an das Geld des Muskelmannes kommen, während er und seine Freunde gleichzeitig unschädlich gemacht werden. Nicht einfach, aber es ging um einen Haufen. Einen Teil des Haufens hatte ich ja selbst gesehen.
Ich fuhr den Berg hinab ins Tal. Ich sah aus wie das Foto auf meinem neuen alten Führerschein – Haare ziemlich wirr und über den Ohren, die dicke Hornbrille störte mich noch, aber sie zog den Blick auf sich und lenkte ihn daher vom Gesicht ab. Fälscher Bobby hatte genial gearbeitet – so, wie der mich geschminkt und mit strategisch eingesetztem und angeklebtem Haar verändert, so sah ich wirklich aus, und so konnte ich auch mühelos bleiben. Ohne angeklebt und eingesetzt. Zum Glück wachsen meine Haare noch überall.
Mich würde also keiner auf den ersten Blick erkennen. Ich wurde mutig und verlangsamte vor der Einfahrt zum Stage Coach die Fahrt, bog in den Parkplatz und hielt. Warum nicht auf ein Bier reingehen? Ich wollte die Autotür gerade öffnen, als ein Auto vom Hof her kam. Also blieb ich sitzen. Er fuhr keine drei Meter an mir vorbei, langsam, damit er abbiegen konnte.
Der Wirt, Mister Universum. Er fuhr nach Santa Maria, und ich fuhr hinterher.
Eine Meile vor der Stadteinfahrt verläuft der Freeway nach San Francisco, und wo sich Freeway und Landstraßenüberführung treffen steht ein Truck Stop. Mammutartige Überlandtrucks tanken dort, hinter der Waschanlage stehen Betten in einem Saal, wo der müde Fahrer ein paar Stunden schlafen kann während am Truck gearbeitet wird, und nebenan macht ein Restaurant rund um die Uhr gute Geschäfte. Jederzeit Riesenfrühstück, jederzeit Steak und Kartoffeln, Apple Pie und Ice Cream Soda, und das seit fünfzig Jahren.
Die Bude stinkt noch immer nach Zigarettenqualm, obwohl seit Jahren in unseren Restaurants nicht geraucht werden darf, die Kellnerinnen waren knusprig, als das Restaurant eröffnet wurde, und sie laufen noch immer mit blondierter Turmfrisur durch die Gänge.
Aus dem roten Kunstleder der Sitzbänke quillt Schaumstoff, aus der Küche ertönen Geklapper und spanische Flüche. Trotzdem ist es verdammt schwierig, dort Platz zu bekommen. Nicht nur Trucker fühlen sich in der Schmuddelkneipe wohl, sondern auch Menschen, die sonst mit Industriehamburger und fetttriefenden Pommes aus angerührtem Kartoffelmehl nichts anfangen können.
Dorthin lenkte der Nobelrestaurateur aus dem Weingebiet Santa Marias seinen bayerischen Nobelkarren. Setzte sich zu zwei Herren, die offensichtlich auf ihn gewartet hatten, und steckte mit ihnen über den Tisch hinweg die Köpfe zusammen.
Ich hatte nach kurzem Warten einen Platz an der Theke bekommen. Einen milk shake ließ ich mir bringen, eine Portion gebackene Leber mit Apfelringen und Speckstreifen, und schaute im Wandspiegel hinterm Tresen dem bunten Treiben meines Geldverbuddlers und seiner Freunde zu.
Die beiden Latinos stopften
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