Geisel der Leidenschaft
kamen, verengten sich Brendans Augen. Der Mann an der Spitze des Heers, in Fitzgeralds Farben, war nicht der Grafschaftsrichter. Offenbar rechnete Fitzgerald mit einem Hinterhalt und hatte einen anderen vorausgeschickt, der seine Stelle einnahm.
Erbost murmelte Brendan einen Fluch vor sich hin.
»Brendan, das ist nicht Fitzgerald.«
»Ja, ich weiß. Schieß ihn trotzdem nieder. Bald werden die Pferde straucheln.«
Liams Pfeil traf mitten ins Ziel. Stöhnend umklammerte der Mann seinen Hals, bevor er aus dem Sattel stürzte. Zu spät erkannten seine Begleiter die Gefahr.
Auf Brendans Zeichen sausten weitere Pfeile aus dem Wald, ein dichter Regen, der im Wind flüsterte und mehrere Feinde fällte.
»Jetzt!«, befahl Brendan und seine Männer stürmten mit wildem Kriegsgeschrei zwischen den Bäumen hervor. Verängstigt bäumten sich wiehernde Pferde auf. Das schwere Katapult rutschte knarrend und ächzend in die tiefe Schlammgrube. Dann hörte Brendan nur noch klirrenden Stahl und zückte sein Schwert, um sich auf den erstbesten Gegner zu stürzen.
Auf einer Lichtung, nicht allzu weit entfernt, stand Miles Fitzgerald neben seinem Pferd und lauschte dem Schlachtenlärm. Einer seiner Männer galoppierte heran.
»Ein Hinterhalt?«, erkundigte sich Fitzgerald, obwohl die Frage überflüssig war.
»Ja, so wie Ihr's erwartet habt, Sir. Nur noch schlimmer - wir haben das Katapult verloren.«
»Verloren?«, stieß Fitzgerald so wütend hervor, dass der Soldat erschrocken zusammenzuckte.
»Die Maschine ist im Schlamm versunken. Um sie herauszuziehen und zu reparieren, würden wir viele Tage brauchen.«
»Ein höchst bedauernswerter Verlust«, fauchte Fitzgerald.
»Außerdem sind mehrere Männer gefallen.«
»Gott sei Dank, dass ich nicht an der Spitze geritten bin«, murmelte der Grafschaftsrichter. »Kehrt sofort um. Die Truppe soll sich vor der Mauer postieren - in einigem Abstand, aber vom Schloss aus sichtbar.«
»Aye, Sir.« Der Bote zögerte.
»Was ist los?«
»Die Männer glauben, nach dem ersten Schlagabtausch würdet Ihr das Kommando übernehmen.«
»Ja, das wollte ich. Aber die Situation hat sich geändert. An meiner Stelle wird Sir Roger Lawton das Heer befehligen. Gebt ihm Bescheid und richtet ihm aus, dass man seine Leute von der Brustwehr aus sehen muss.«
»Aye, Sir. Und dann?«
Ärgerlich runzelte Fitzgerald die Stirn. »Dann komme ich zurück und erteile Euch weitere Anweisungen.«
»Aber - Sir ...«
»Ich reite nach Norden und fange die Personen ein, die sich vor unserer gerechten Mission zu drücken suchen. Verschwindet!«
Nachdem der Bote davongesprengt war, hob Fitzgerald eine Hand, und ein Mann namens Dirk of Pawley tauchte aus einem Zelt auf, das er am Rand der Lichtung errichtet hatte.
Eine Zeit lang hatte er dem König im Tower von London gedient, bis er wegen seiner Trunksucht entlassen worden war. Aber Fitzgerald wusste Pawleys Fähigkeiten zu schätzen.
Der Bursche war fast so breit wie hoch, doch sein Körper bestand größtenteils aus Muskeln. Bei einer Wirtshausschlägerei hatte er ein Auge verloren. Außerdem fehlte ein Teil seiner Kopfhaut. Er war hässlich wie die Sünde. Je breiter er grinste, desto grausiger sah er aus. Und er grinste sehr oft. Er liebte seine Arbeit.
»Bring ihn heraus!«, verlangte der Grafschaftsrichter.
Gehorsam schleifte Dirk den Gefangenen aus dem
Zelt, den einige Reiter an diesem Morgen festgenommen hatten. Irgendetwas an dem Jungen, der einen gewitzten Eindruck machte, kam Fitzgerald bekannt vor. Der Bursche behauptete, er würde sehr schlecht Französisch sprechen und sei nur ein einfacher Bauer, vom Krieg seiner Felder beraubt und auf der Suche nach einer Mahlzeit.
Aber Fitzgerald wusste, dass er ihn schon einmal gesehen hatte - inmitten anderer junger Männer, die aus Landgütern im Norden stammten und in York zu Kriegern ausgebildet worden waren. Zunächst hatte er entschieden, der Bursche müsse am nächstbesten Baum hängen. Das hätte Dirk nur zu gern erledigt und die Schlinge möglichst langsam zugezogen, um den verräterischen Engländer mit einem qualvollen Tod zu bestrafen.
Da der junge Mann nicht mehr gehen konnte, zerrte Dirk ihn am Kragen auf die Lichtung. Dabei schien er ihn fast zu erwürgen, denn der Gefangene brachte nicht einmal einen Schrei hervor. Unsanft ließ Dirk ihn ins Gras fallen und Fitzgerald zerrte ihn an den Haaren empor. »Noch einmal - die Lady hält sich nicht mehr in der Festung auf?«
Keine Antwort.
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