Geisel der Leidenschaft
sie bezähmte diesen Impuls und zwang sich zur Ruhe. Wenn sie ihm entkam, würde sie sich viel wirksamer rächen. Und so schluckte sie ihren Groll hinunter. Vorsichtig schlich sie die restlichen Stufen hinab. Dabei hörte sie alle über eine Frage lachen, die Eric gestellt hatte und die einen besonders amüsanten Aspekt der ungeheuerlichen Farce betraf - nämlich die Rolle, die >Jacques< spielte.
Als sie den Fuß der Treppe erreichte, schaute Helene, die neben Eric saß, plötzlich in die Halle und starrte die Gefangene an. »Mon Dieu!«
Eleanor stürmte zur Haustür und riss sie auf, wollte in die Nacht hinausfliehen, zu einer Koppel, auf der ein halbes Dutzend Pferde graste, wo die Freiheit wartete. Aber da umklammerte eine Hand ihren Arm. Verzweifelt versuchte sie, in die harten Finger zu beißen. Sie wurde herumgerissen und hochgehoben. Von ihrem flatternden Haar beschirmt, sah sie nicht, wer sie ins Wohnzimmer trug. Dass es Brendan war, merkte sie erst, als er sie vor dem Kamin auf den Boden stellte. Wie war es ihm gelungen, sie dermaßen zu täuschen? Diese Kobaltaugen hätte sie trotz der Maske erkennen müssen. Und wieso war ihr das rabenschwarze Haar nicht aufgefallen, die große, breitschultrige Gestalt... Seine Hände!
»Aye, wir haben Euch zum Narren gehalten, Lady. Das habt Ihr verdient ...«
»Bastard!«, unterbrach sie ihn. »Elender Schotte!« Blitzschnell ergriff sie ein Messer, das auf dem Tisch lag, und hielt es empor. »Möchtet Ihr Eure Zunge verlieren und endgültig verstummen? Diesen Gefallen erweise ich Euch nur zu gern!«
»Legt das Messer weg, Eleanor.«
»Warum sollte ich? O nein, ich werde Euch in winzige Stücke zerschneiden. Oder ich lasse Euch am Leben, mit einem hässlichen Narbengesicht!«
»Haltet den Mund, Eleanor!«
Ja, sie wollte schweigen, keine Szene machen vor diesem schreckensstarren Publikum, den leichenblassen Frauen, dem kleinen Franzosen, den beiden anderen und Eric ...
Aber ihre Wut besiegte die Stimme der Vernunft. Schreiend stürzte sie sich auf Brendan. Sie war keine ebenbürtige Gegnerin. Noch bevor das Messer ihn gefährdete, packte er ihr Handgelenk, und als die zarten Knochen zu brechen drohten, ließ sie die Waffe fallen. Mit einem starken Arm umfing er ihre Taille und presste sie an seine Brust.
»Kann ich Euch jetzt loslassen?«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie nickte und seine Hand sank hinab. Immer noch erbost, hob sie eine Faust und traf sein Kinn. Aber als sie gegen sein Kettenhemd schlug, verletzte sie ihre Fingerknöchel. Um weiteren Angriffen vorzubeugen, drückte er sie wieder an sich. »Bitte, entschuldigt uns, meine Freunde. Ich glaube, wir sollten das Problem unter vier Augen besprechen.«
»Da gibt es nichts zu besprechen!«, fauchte Eleanor. »Dafür werdet Ihr sterben, am höchsten Galgen von Frankreich baumeln ...«
Entsetzt unterbrach sie sich, denn er warf sie über seine Schulter, so unsanft, dass ihr die Luft wegblieb. Er trug sie nach oben, nahm immer zwei Stufen auf einmal und erreichte ihr Schlafzimmer, ehe sie genug Atem holen konnte, um ihn erneut zu beschimpfen. Mittlerweile war die Nacht hereingebrochen. Auf dem Tisch brannte eine Kerze. Ein Kaminfeuer milderte die winterliche Kälte.
Eleanor landete auf dem Bett. »Wie konntet Ihr mir das antun?«, stieß sie hervor und erhob sich auf die Knie. »Diese Niedertracht ...«
»Und Ihr seid über Bord gefallen?« Als er sich zu ihr neigte, sank sie ins Kissen zurück. »Gar nichts wurde Euch zuleide getan. Stattdessen haben wir Euch vor einem Piraten gerettet. Aber Ihr musstet zweimal ins eisige Wasser springen und Euer Leben aufs Spiel setzen, um uns zu entfliehen. Obwohl wir nur vorhatten, Euch den liebevollen Armen Eures Bräutigams anzuvertrauen!«
»Keineswegs! Ihr wolltet mich benutzen, wie eine Schachfigur.«
»Und das erschien Euch so schrecklich, dass Ihr eine Vergewaltigung und den Tod riskiert habt?«
»Was Ihr mir zugemutet habt, war so grauenvoll ...«
»Warum? Weil ich Euch durchschaut und vorausgeahnt habe, dass Ihr an Land schwimmen würdet? Meine Männer behielten Euch unentwegt im Auge, meine englische Schönheit! Aye, ich erwartete Euch mit ein paar Freunden am Strand und wir hielten Euch zum Narren. Das habt Ihr bei Gott verdient, Lady!«
»Aber ich bin nicht Eure Schachfigur, ich will meine Freiheit ...«
»Freiheit! Dafür kämpfen und bluten und sterben die Schotten seit vielen, vielen Jahren!«
Der leidenschaftliche Klang seiner Stimme brachte
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