Geisel der Leidenschaft
krank und braucht mich.«
»Aber Ihr erwartet Sir Brendans Kind.«
Eleanor wollte antworten, doch da glaubte sie, ein Geräusch im Nebenraum zu hören. Hastig legte sie einen Finger an die Lippen, schlich auf Zehenspitzen zur Verbindungstür und riss sie auf. Niemand ließ sich blicken.
Von einer seltsamen bösen Ahnung erfasst, fröstelte Eleanor.
Beim Abendessen erkundigte sich Isobel nach dem Befinden eines gebrechlichen Bauern.
Über dieses ungewöhnliche Interesse erstaunt, entgegnete Eleanor: »Leider fühlt sich der alte Timothy gar nicht gut. Er kann nur mehr gebückt gehen. Jetzt ist seine Frau auch noch erkrankt.«
»Also wohnen die beiden in diesem hübschen Cottage und rühren keinen Finger.«
»Timothy hat sich sein Leben lang für uns abgerackert.«
»Natürlich, du verteidigst ja alle Bauern. Bald werden nur mehr Müßiggänger hier herumlungern und Clarin in den Ruin treiben.«
»Unsinn! Timothy hat zwei erwachsene Söhne und die arbeiten hart genug.«
»Kräftige junge Burschen, die Edward demnächst in den Krieg gegen die widerwärtigen Schotten schicken wird! Und was tun wir dann? Vielleicht sollten wir den alten Timothy und seine kranke Frau in einer kleineren Hütte einquartieren und das schöne Cottage einem jungen Mann übergeben, der bereits Söhne hat. Wäre das nicht sinnvoll? Alfred, Corbin - was meint ihr?«
Gleichmütig zuckte Alfred die Achseln. »So, wie's ist, kommen wir gut zurecht.«
»Aber es könnte besser sein.«
»Wenn es uns in dieser Saison an irgendwas mangelt, bekommen wir Vorräte aus Frankreich.«
»Alain, Eure Kinder haben es sicher schon schwer genug. Also sollten sie sich nicht auch noch für Clarin abplagen müssen.«
Mühsam bezähmte Eleanor ihren Zorn. »Clarin geht dich nichts an, Isobel. Wie du dich vielleicht entsinnst, bin ich die Erbin.«
»Wenn du keinen Sohn zur Welt bringst, wird das Schloss mit allem Drum und Dran an Alfred fallen. Oder hast du uns eine erfreuliche Neuigkeit mitzuteilen?«
»Nein«, erwiderte Eleanor und fürchtete, eine verräterische Röte würde ihr in die Wangen steigen.
Isobel lächelte. »Da siehst du's. Und du verstehst zweifellos, dass ich mich um die Ländereien sorge, die eines Tages Alfred und Corbin ... und meinem ungeborenen Sohn gehören werden.«
»Wie ich höre, soll London um diese Jahreszeit sehr schön sein, Isobel«, bemerkte Eleanor und stand auf.
»Nun ja, hier ist es immer noch kalt. Und in Schottland vermutlich viel kälter.«
»Was kümmert dich Schottland.«
»Dort müssen unsere Männer bald wieder kämpfen«, erklärte Isobel in sanftem Ton. »Hoffentlich wird sich das Wetter bis dahin bessern.«
Am nächsten Morgen ritt Eleanor zum Exerzierplatz und beobachtete die Waffenübungen, die ihre Vettern mit einigen jungen Burschen abhielten - zu einer ungünstigen Jahreszeit. In diesen Tagen sollten die Felder bepflanzt werden. Aber die Männer mussten lernen, wie man mit einem Schwert umging. Diese Kunst hatten viel zu wenige beherrscht, als Clarin von brutalen Schotten angegriffen worden war. Eleanor bangte immer noch um ihr Leben. Solange Wallace von der Freiheit Schottlands träumte und sich berechtigt fühlte, dafür zu kämpfen, konnte jederzeit ein neuer Krieg im Grenzgebiet ausbrechen. Deshalb war die Ausbildung der jungen Männer lebenswichtig.
Während sie Vogelscheuchen mit Speeren durchbohrten und ihre Schwerter gegen Strohpuppen erhoben, sah sie zu ihrer Verblüffung Isobel heranreiten.
»Guten Morgen, Eleanor!«
»Guten Morgen, Isobel.«
»Möchtest du bei diesem Anblick wieder einen Helm aufsetzen und für dein Vaterland kämpfen?«
»Nein. Der Gedanke an das Blut, das bei jeder Schlacht in Strömen fließt, bekümmert mich viel zu sehr.«
»Wie tugendhaft du bist ...«
»Bitte, Isobel, wenn du mir etwas zu sagen hast -sprich es aus. Und falls du dich hier nicht wohl fühlst, wäre es besser, du würdest den neuesten Feldzug in London abwarten - und dort dein Kind zur Welt bringen. Sollte Alfred nicht heiraten und meine Ehe kinderlos bleiben, kannst du mit dem Erben von Clarin zurückkehren, wenn es an der Zeit ist.«
Es dauerte eine Weile, bis Eleanor eine Antwort erhielt, und sie gewann den Eindruck, Isobel würde das heiß ersehnte Kind noch nicht erwarten. »Da Corbin das Schloss vorerst nicht verlassen wird, möchte ich bei ihm bleiben. Natürlich nur mit deiner gütigen Erlaubnis.«
»Auf Vaters Wunsch ist und bleibt Clarin das Heim meiner Vettern und du bist Corbins
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