Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
die Luft an. Dein Auftritt kommt noch. Später.“
Unsicher blickte sich Frau Theresa Trinklein-Sparwasser um, ob vielleicht von irgendwoher Hilfe zu erwarten war. War aber nicht.
Selbst Herr Schweitzer konnte mit den doch eher kryptischen Worten ihres Mannes wenig anfangen, doch war er bei den Worten der Filialleiterin wieder zusammengezuckt. Er kannte diesen Typus Weib nur zu gut aus der Kneipenwelt Sachsenhausens. Es waren gewöhnlich frustrierte Gattinnen mittelständischer Gewerbetreibender, die es gerne zu Gattinnen von Großunternehmern gebracht hätten, oder frustrierte Ehefrauen von unbedeutenden Lokalpolitikern, deren Politik sich in der Tat mehrheitlich in Lokalen abspielte, und die um alles in der Welt gerne Ehefrauen von bedeutenden Politikern geworden wären, denn dann gehörten sie zu den vermeintlich Honorablen, um die sich Presse, Funk und Fernsehen bemühte, und ein wenig Glanz fiele auch auf sie.
Doch beschränkten sich diese Berührungspunkte zwischen deren und Simon Schweitzers Welt auf gelegentliche Begegnungen in Kneipen, und das war auch gut so, denn er konnte diesem mitunter doch recht ätzenden Getue herzlich wenig abgewinnen. Er erwärmte sich mehr für gradlinige Menschen, die rundheraus ihre Meinung kundtaten. Allerdings konnte man der Filialleiterin kaum Mangel an Gradlinigkeit vorwerfen, überlegte Herr Schweitzer, eher war es schon ihre Arroganz, die ihm säuerlich aufstieß. Im übrigen galt es, sich in Geduld zu üben, mehr war augenblicklich sowieso nicht drin.
Derweil machte sich der Bankräuber wieder am Container zu schaffen und holte einen froschgrün-fliederviolett quergestreiften Reisewecker der Marke Rowenta heraus, den er neben das Telefon stellte, nachdem er die Uhrzeit mit seiner Armbanduhr verglichen hatte. Daraufhin zählte er die Geiseln und verteilte ebensoviele Sitzkissen, acht an der Zahl, die mit farbenfrohen Mickey-Maus-Motiven bedruckt waren.
Die Worte „Es könnte nämlich länger dauern“ begleiteten die Aktion. Über die Zeitfrage hatte sich Herr Schweitzer auch schon den Kopf zerbrochen. Es mutete doch mehr als sonderbar an, daß Herr Trinklein den Bullen nicht einfach klipp und klar gesagt hat, wann er wieviel Kohle zu haben wünschte, andernfalls ein lustiges Geiseltotschießen begänne. Wie gesagt, es war seine erste Teilnahme an einem derartigen Treiben. Weder die aktive Rolle mit Pistole noch die passive als Geisel waren Simon Schweitzer geläufig. Alles, was sein Erfahrungsschatz über Banküberfälle hergab, hatte er größtenteils aus der Zeitung, und trotzdem war ihm klar, daß der Geiselnehmer einen ganz, ganz speziellen Plan haben mußte, der mit den allseits bekannten Handlungsabläufen nicht zu vergleichen war. Da spielte es auch keine Rolle mehr, ob man als Grünschnabel, wie im Fall des Herrn Schweitzer, oder als Profi an den Start gegangen war. Die Frage nach dem Weiterempfehlungswert des eingeschlagenen Weges konnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Vielleicht würde sich ja im nachhinein alles nur als brotlose Kunst erweisen.
Der Bankräuber begann Wasserflaschen und Plastikbecher zu verteilen und forderte die Geiseln auf, es sich soweit als möglich gemütlich zu machen. Die ältere Dame in Jeans war die erste, die daraufhin ihr Sitzkissen an die rückwärtige Wand schob. Andere folgten. Zum Schluß blieben Herr Schweitzer, dessen gute Kinderstube es ihm untersagte sich vorzudrängeln, und der thailändisch aussehende Koreaner übrig, die sich aber an die mit orientalischen Keramikkacheln verzierte Säule lehnen konnten, von wo sie ebenso wie alle anderen fast den ganzen Raum vor sich hatten.
„Wie lange soll’s denn ungefähr dauern? Ich meine, werden wir freigelassen, wenn Sie das Geld bekommen haben, oder wie stellen Sie sich das vor?“ fragte couragiert die ältere Dame.
Der Bankräuber legte seinen Kopf schief als überlegte er, inwieweit die Frage nun ungehörig sei. Offenbar stufte er sie als legitim ein, denn er antwortete: „Nun, wie Sie vielleicht vorhin mitbekommen haben, ruft die Polizei in knapp zwei Stunden zurück und teilt mir hoffentlich mit, wann mit dem Geld zu rechnen ist. So lange müssen Sie sich eben noch gedulden.“
Es entstand eine Verlegenheitspause bis Herr Schweitzer sich ein Herz faßte: „Wollen Sie wirklich 35 Millionen?“
Ein Lächeln umspielte des Bankräubers Lippen: „Wenn schon, denn schon.“
Teufel aber auch. Simon Schweitzer konnte sich nun an einer Hand ausrechnen,
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