Geiseldrama in Dribbdebach (German Edition)
stark.“
Wieder zurück in die Einsatzzentrale. Kaschtascheks Haut war bleich, nahezu transparent geworden. Seine Sinne waren gänzlich verwirrt. „Was ist das? Was soll die Scheiße? Ich denke, das ist ein Banküberfall. Das klingt mir eher nach Leuten, die einen nassen Hut aufhaben.“
Auch seine sonst eher moderate Kollegin Annie Landvogt vertrat die Meinung, der Schwachsinn habe eine neue Dimension erlangt: „Ich kann’s nicht glauben. Da schweben die in Lebensgefahr und diskutieren ihre Eheprobleme aus. Zumindest kennen wir jetzt ein paar Namen mehr.“
Da war der Abhörspezialist vom BKA schon nüchterner: „Da stimmt was nicht. Da lacht einer im Hintergrund. Jetzt ist es ganz deutlich zu hören.“
Und in der Tat war ein erst zaghaftes, dann immer mehr zu einem Crescendo anschwellendes Gekicher zu vernehmen, bis man das Gefühl hatte, ein komplettes Stadionrund würde sich königlich amüsieren und sich vor Lachen gar nicht mehr einkriegen können. Vollkommen unverständlich blieb jedoch der Umstand, daß sich der vermeintliche Rest der Geiseln, also jene, die sich nicht gerade totlachten, weiterhin an dem ernsthaften Gespräch beteiligte.
„… glaube ich, daß wir als Familie gestärkt und gefestigt, ja vor allen Dingen gefestigt aus dieser Sache herausgehen.“
„Genau. Und Bienchen und ich, wir wünschen uns nichts sehnlicher als ein fünftes Kind, weil, was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen.“
„Jawohl. In allererster Linie sind wir doch alle Christen …“
„Meine Damen und Herren, unsere Sendezeit neigt sich dem Ende zu. Ich möchte mich ganz herzlich bei Ihnen hier im Studio und zu Hause an den Bildschirmen bedanken. Ich hoffe, Christ und Liebesgeflüster hat Sie wieder ein Stück näher zu Gott gebracht. Bis morgen um dieselbe Zeit, Pfarrer Machdi Fly und sein Team erwarten Sie.“
Sieben Sekunden Erkennungsmelodie und tosender Beifall. Und ein ohrenbetäubender Radau von Geiseln, denen es entschieden zu gut ging. Wäre Apostel Hollerbusch im Raum gewesen, hätte er seinen Freund Simon Schweitzer als denjenigen identifizieren können, der sich gar nicht mehr zu beruhigen wußte und von einem Lachanfall in den nächsten stürzte. Doch Hollerbusch war auf Toilette.
Nun hatte man es auch hier kapiert. Oberkommissar Kaschtaschek konnte sich gerade noch ein süßsaures Lächeln abringen. Der Abhörspezialist war gar arg verstimmt. Allein Annie Landvogt bewies Ansätze von Humor: „Und nicht vergessen, morgen wieder Christ und Liebesgeflüster einschalten.“
Die laute Explosion aus der Abhöranlage überraschte kaum. So hört es sich eben an, wenn so technisch sensible Geräte wie Abhörwanzen ihr Dasein zwischen Schuhabsatz und Marmorboden aushauchten.
Annie Landvogt machte sich wieder an die Durchsuchung des vom Regen durchweichten Abfallkartons der Sachsenhäuser Spezialitätenmetzgerei Pomp, die dieser Simon Schweitzer – neben der Filialleiterin die bislang einzige hundertprozentig identifizierte Geisel – bei der Übergabe des Antennenkabels nach draußen gebracht hatte.
Nach dieser lustigen Einlage war es schwer, sich wieder auf das triste Einerlei einer zur Routine gewordenen Geiselnahme zu konzentrieren. Jene, die es zu sehr gebeutelt hatte, wischten sich die Lachtränen ab und von Herrn Schweitzer vernahm man ein letztes Glucksen. Zur Feier des Tages öffnete Johnny eine weitere Flasche Portugieser.
Dem Abspann von Christ und Liebesgeflüster folgte die Tagesschau. Ausführlich wurde vom Irakkrieg berichtet. Bagdad stand kurz vor der Kapitulation, heftige Kämpfe tobten in Basra und irakische Gotteskrieger kapitulierten scharenweise, und das, obwohl so ein Märtyrertod sie doch glattweg ins Paradies gebracht hätte. Irgendwas schien da mit dem Dschihad schiefgelaufen zu sein. Ein paar marginale Schicksalsschläge wie durch fehlgeleitete Streubomben zerstörte Krankenhäuser und Marktbuden mit den dazugehörigen Menschen gab es zu beklagen, aber die einzigen, die wirklich klagten, waren wie immer ein paar Mütter. Der Rest schwor Rache.
Auch Klein-Bushi hieß wieder einmal die heldenhafte U.S.Army hochleben. Er rechnete damit, die Sache bald vom Tisch zu haben. Außerdem würden schon Lebensmittelpakete abgeworfen, was wiederum dem zur Ehre gereichte, der einst das Sprichwort in die Welt setzte, daß mit leerem Magen schlecht sterben sei.
Herr Schweitzer fragte sich, ob der Präsident auf einem Podest stand oder ob man extra wegen Klein-Bushi
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